Yoga ist für viele nur ein Weg, um einen gesunden und langlebigen Körper zu besitzen. Wer tiefer gräbt, entdeckt jedoch einen uralten Pfad zum Göttlichen und dem Urgrund unseres Daseins.
Yoga als Weg zur Vollkommenheit
Die meisten Menschen wollen alle das Gleiche. Die meisten Menschen wünschen sich ganz einfach und geistig-seelische Gesundheit, Verständnis und Weisheit, Frieden und Freiheit. Und oft platzen die Mittel und Methoden, mit denen wir nach diesen grundlegenden menschlichen Bedürfnissen streben, aus den Nähten, da wir von verschiedenen und häufig miteinander konkurrierenden Forderungen des menschlichen Daseins hin- und hergerissen werden. Yoga, so wie er von seinen Weisen verstanden wurde, ist so angelegt, dass er alle die-se menschlichen Bedürfnisse im Rah-men eines umfassenden nahtlosen Ganzen befriedigt. Sein Ziel ist nichts weniger als das Erlangen der Integri-tät, des Einsseins – das Einssein mit uns selbst und als Folge daraus das Einssein mit allem jenseits von uns, mit allem, das über uns selbst hinaus-geht. Wir werden zum harmonischen Mikrokosmos im universalen Makrokosmos.
B.K.S. Iyengar
Yoga und Transformation
Was ist eine vollkommene Yogatechnik, oder besser gesagt, ein weltverändernder oder naturverändernder Yoga? Mit Sicherheit nicht einer, der den Menschen bei einem kleinen Stück seiner selbst nimmt, dort einen Haken anbringt und ihn über einen Flaschenzug in das Nirvana oder Paradies befördert. Die Technik eines weltverändernden Yogas muss vielgestaltig sein, geschmeidig, geduldig, allumfassend wie die Welt selbst.
Wenn man ein neues Bewusstsein zu erlangen sucht, das den wägenden Verstand überschreitet, so kann dies nicht auf einer Grundlage geschehen, ie vom wägenden Verstand beurteilt und begriffen und auf der jeder Schritt von ihm kontrolliert wird, auf der der Intellekt bestimmt, was zu geschehen hat, wie groß die Erfolge und welcher Art die Schritte und ihr Maß zu sein haben. Wenn dies geschieht, wird man niemals aus dem Bereich des urteilenden Verstandes herauskommen und etwas erreichen, das ihn überschreitet. Nur indem du dich selbst überschreitest, kannst du fühlen und beurteilen und erfahren, was dich überschreitet. Und worin besteht der Wert eines Urteils ohne Gespür und Erfahrung?
Sri Aurobindo
Der Weg zum Göttlichen
deshalb die Wissenschaft aller Wissenschaften, weil er sich mit dem Wesen der Entwicklung und des Wohlergehens der Menschheit befasst. Er ist die einzige Wissenschaft, welche das Wissen und die Praxis völliger Transformation zur Verfügung stellt: der Transformation von der menschlichen Bestie zum Menschen und vom Menschen zum Göttlichen.
Es ist notwendig darauf hinzuweisen, dass es ein weitverbreitetes Missverständnis im Westen hinsichtlich der Natur und des Ziels von Yoga gibt. Ein Mensch, der Asanas und Körperhaltungen zur Verbesserung seiner Gesundheit übt, sagt von sich, er praktiziere Yoga. Es stimmt, dass die Leute den Yoga in ihrer unschuldigen Unwissenheit oft oberf lächlich darstellen und vereinfachen. Da das Praktizieren von Asanas und Haltungen allein nicht die wirkliche Yoga-Praxis ausmacht, kann ein Individuum alle 84.000 Asanas meistern, ohne auch nur einen Schimmer vom wahren Yoga zu haben. Andererseits kann ein Yogi den wirklichen Yoga des Samadhi (überbewusster Zustand; Anm. d. Red.) üben, ohne überhaupt Asanas zu machen. Die Körperhaltungen an sich berechtigen einen Schüler nur zu der Aussage, dass er Asanas praktiziert, um sich für den Yoga vorzubereiten.
Yogiraj SatGurunath Siddhanath
Beherrschung des Gemüts ist Yoga
Ausgangspunkt der Yoga-Meditation ist die Konzentration auf einen einzigen Gegenstand, der ebenso ein physischer Gegenstand wie ein Gedanke oder Gott sein kann. Diese feste und andauernde Konzentration hat den Namen ekagrata („auf einen einzigen Punkt“) und wird durch die Integration des psycho-mentalen Flusses erreicht. Dies ist schon die Definition der yogischen Technik: yogahcitta-vritti-nirodhah – Yoga ist die Beherrschung der mentalen Gedankenvibrationen (Patanjali Yoga-Sutra I,2).
Seinen Assoziationen überlassen verbringt der Mensch seinen Tag, indem er sich von einer Unmenge disparater Momente überschwemmen lässt, die gleichsam außerhalb seiner selbst liegen. Sinne und Unterbewusstes bringen in das Bewusstsein fortwährend Gegenstände, welche es beherrschen und verändern je nach ihrer Form und Intensität. Die Assoziationen zerstreuen das Bewusstsein, die Leidenschaften tun ihm Gewalt an… Unter dem Anschein des „Denkens“ verbirgt sich in Wirklichkeit ein unbestimmtes, ordnungsloses Flimmern, das sich aus den Empfindungen, den Worten und dem Gedächtnis speist. Die erste Pflicht ist zu denken, das heißt sich nicht denken zu lassen.
Mircea Eliade
Yoga als Big Business
Yoga liegt wohl kulturell in der Luft. Doch es ist auch ganz offensichtlich Big Business – ein großer Wirtschaftsfaktor. Puristen bezeichnen das als den Yoga-Industrie-Komplex. Die großen finanziellen Einsätze haben den traditionellen Ethos in zunehmendem Maße auf den Kopf gestellt. Ein Faktor, der das moderne Yoga von seinen Vorläufern unterscheidet, ist der Wandel von einer Berufung zu einem teuren Lifestyle. Heute stehen Milliardenbeträge auf dem Spiel, wenn es um die öffentliche Darstellung von Wirkungen geht, die durch Yoga erzielt werden können, und die Versuchung ist groß, dass man seine Erklärungen mit allem Möglichen ausschmückt – von Selbsttäuschung und großzügiger Ungenauigkeit bis hin zur gezielten Fehldarstellung und Verschleierung der Wahrheit. Eine weitere Versuchung besteht darin, jede Erwähnung von Schäden oder negativen Konsequenzen zu vermeiden – ein Schweigen, das häufig in wirtschaftlichen Überlegungen begründet ist. Warum die ganze Geschichte erzählen, wenn die Enthüllung der ganzen Wahrheit die Kunden vertreiben könnte?
William J. Broad
Zusammenstellung: Petro Mudryk