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Das wahre Wesen der eigenen Seele zu erkennen, ist eine Quelle der Freude. Wenn es bloß das Problem mit dem Denken nicht gäbe …

Wie seltsam, dass Gott und die Seele beide den menschlichen Körper bewohnen, sich aber nie begegnen! Warum ist das so? Weil die Seele, deren eigentliche Bestimmung in Gott liegt, sich dem denkenden Verstand angeschlossen hat und der Verstand sich andauernd mit den Dingen und Problemen in der Welt befasst. Jedes Mal, wenn wir uns für die Meditation sammeln und konzentrieren wollen, schweift unser Verstand ab und richtet die Aufmerksamkeit auf die verschiedensten Dinge, die gar nichts mit unserer Meditation zu tun haben. So verplempern wir nur unsere Zeit.

Das Leben in menschlicher Form ist die höchste Stufe der gesamten Schöpfung: Wir Menschen sind ausgestattet mit dem höchsten Bewusstseinspotenzial von allen Lebewesen und es ist Ziel, Sinn und Zweck des menschlichen Lebens, dieses Bewusstsein durch Meditation und Vereinigung mit Gott zu vollenden. Das gelingt uns aber nicht, weil der Verstand sich unaufhörlich mit den Dingen in dieser Welt beschäftigt und die Konzentration vereitelt.

Sich selbst erkennen

Warum widmen wir uns dann nicht mit verstärkter Kraft der Praxis der Meditation? Sie ist uns einfach nicht wichtig genug, weil wir das wahre Wesen unserer Seele nicht kennen und die große Bedeutung des menschlichen Lebens nicht begriffen haben. Die Seele ist so sehr ihrem Körper verhaftet, hat sich so sehr mit dem Körper identifiziert, dass wir nur an die Belange und Erfahrungen des Körpers denken, und nicht an die Bedürfnisse und die Bestimmung der Seele. Damit fangen die Schwierigkeiten an: Wir können uns nicht auf die Meditation konzentrieren und nichts für das Wohl unserer Seele tun. Von jeher heißt es aber: „Mensch, erkenne dich selbst!“ Denn Selbsterkenntnis ist die Vorstufe zur Gotterkenntnis.

Selbsterkenntnis bedeutet, dass wir unsere Seele kennen. Nun könnte jeder behaupten, er wisse über die Seele Bescheid, sie sei ein Teil von Gott, sie wohne dem Körper inne, sei sehr wichtig u.v.a.m. Aber theoretisches Verstandeswissen über die Seele ist nicht hundertprozentig überzeugend und belastbar, weil es eine Frage von Für-wahr-Halten ist und Raum für Zweifel lässt. Wenn wir unsere Seele wirklich kennen würden, würden wir einsehen, wie notwendig es ist, die Qualität unserer Seele zu verbessern, und würden uns an die Arbeit machen. Aber wir unternehmen nichts.

Die Seele für sich betrachten

Über unsere Seele wissen wir nichts, weil wir sie noch nie aus ihrer Vermengung mit dem physischen Körper gelöst haben, um sie für sich allein zu betrachten. Zwar trennt sich die Seele zum Zeitpunkt des Todes vom Körper, aber da sie nicht in ihren bisherigen Körper zurückkehrt, wird sich die Seele dabei noch nicht ihrer selbst bewusst. Deshalb sagen die Mystiker und spirituellen Meister: „Lerne zu sterben, damit du zu leben beginnst.“ Wenn wir vor unserem Tod zu sterben lernen, können wir den wahren Sinn unseres Lebens erkennen und für das Wohl unserer Seele arbeiten.

Den Vorgang, zu Lebzeiten zu sterben, also die Seele von dem Körper zu lösen, erlernt man durch Meditation. Denn bei der Meditation sammelt sich die Seele an ihrem eigentlichen Sitz hinter der Stirn, löst sich vom Körper und seinen Sinnen, steigt in die spirituelle Dimension hinauf und hält sich dort eine Zeitlang auf. Dies ist derselbe Vorgang wie beim Sterben, mit dem Unterschied, dass beim Tod die Seele den Körper verlässt und nie wieder in ihn zurückkehrt. Bei der Meditation hingegen verlässt die Seele nur vorübergehend den Körper und kehrt nach dem Aufenthalt im Jenseits zu ihm zurück. So kann man durch Meditation willentlich das Sterben vor dem Tod einüben und sich selbst als lebendige Seele, als ein vom Körper unabhängiges, bewusstes, wahrnehmendes Wesen erfahren. Und diese Erfahrung „Ich bin Seele, nicht Körper, und ich werde irgendwann diesen Körper endgültig verlassen“ hat so viel Überzeugungskraft, dass sie uns anspornt, uns endlich um das Wohl unserer Seele zu kümmern.

Erst Konzentration, dann Meditation

Nun stellt sich die Frage nach der praktischen Umsetzung: Wie können wir mit der Seele über die Bewusstseinsstufe von Körper und Sinnen aufsteigen? Unsere Seele ist so eng mit dem Körper und seinen Aktivitäten in dieser Welt verbunden, dass die Loslösung uns kaum gelingen wird. Denn die Aufmerksamkeit der Seele wird dauernd vom Verstand in Anspruch genommen und auf die Dinge der physischen Welt gerichtet. Wenn wir erfolgreich meditieren wollen, müssen wir also lernen, die Denkaktivität des Verstandes abzustellen.

Zur Meditation gehören zwei Phasen: In der ersten Phase gilt es, den Verstand in den Zustand fokussierter Konzentration zu bringen. Dies wird erreicht, indem man im Geist eine Reihe von besonderen geladenen Wörtern wiederholt, die der spirituelle Meister bei der Einführung in die Meditation gibt. Und in der zweiten Phase steigt die Seele über die physische Welt hinauf in die spirituelle Welt und begegnet Gott. Bei diesem Aufstieg kann die Seele erleben, dass Körper und Seele tatsächlich zwei völlig verschiedene und voneinander getrennte Dinge sind. Das ist Selbsterkenntnis. Und Selbsterkenntnis ist absolut notwendig für den spirituellen Fortschritt.

Gott ist Geist, und nur im Geist können wir Gott begegnen, Ihn anbeten und mit Ihm eins werden. Die Seele hat ihren Ursprung in Gott, ist aus Gott hervorgegangen, und wenn sie wieder mit Gott verbunden und vereint ist, ist der Zweck von Religion (wörtl. „Rückverbindung“, re-ligio) erfüllt. Religion besteht nämlich nicht in der Lektüre heiliger Schriften oder im Besuch der Kirche, Moschee oder des Tempels, um mit rituellen Gebetsformeln zu Gott zu beten. Religion ist die Wiederverbindung der einzelnen Seele mit ihrem göttlichen Schöpfer.

Yoga und spirituelle Heilung Tatsächlich ist die Bedeutung des Wortes „Religion“ dieselbe wie die von „Yoga“. In den Yoga-Sutras von Patanjali finden wir die klassische Definition: „Wenn die Seele (Atman) mit Gott (Paramatman, dem Höchsten Selbst) vereint ist, dann ist es Yoga.“ Yoga ist heute im Westen sehr populär geworden, aber darunter versteht man – irrtümlich – besondere Gymnastikübungen. Solche Übungen sind zur Körperertüchtigung gedacht und dienen der Gesundheit des Körpers. Aber ursprünglich sollte Yoga der Gesundheit der Seele dienen, denn in der Verbindung mit Gott fließt seine heilsame, erleuchtende Kraft (griechisch: Logos, Wort) in sie hinein, so dass nach und nach alle Schleier, die sie behindern und entstellen, von ihr abfallen und ihr ursprünglicher „gesunder“ Zustand wiederhergestellt wird.

Durch den Zustrom der Gotteskraft in die Seele wird aber nicht nur die Seele geheilt, sondern auch Körper und Gemüt. Derartige spirituelle Heilung des Körpers ist eine erfreuliche Nebenerscheinung des spirituellen Pfades. So sagte Jesus Christus: „Das Auge ist die Leuchte des Leibes. Wenn dein Auge einfältig ist, wird dein ganzer Leib voller Licht sein“ (Lukas 11:34; Matthäus 6:22). Er spricht in der Einzahl von einem Auge, nicht von zwei. Er meint nicht die Augen des Körpers, sondern das eine innere „Auge“ der Seele. Wenn wir die zwei physischen Augen schließen und das innere Auge, das sich hinter der Stirn zwischen den Weisheit ANZEIGE Augen befindet, öffnen, sehen wir in unserer Seele das Licht Gottes. Und dieses göttliche Licht lässt die Seele gesunden.

Glücklich sein statt anhaften

Das Licht, das wir innen in unserer Seele sehen, ist nicht das physische Licht, das wir außen mit unserer physischen Augen sehen, sondern es ist eine der Formen, in denen Gott sich manifestiert und für unsere Seele wahrnehmbar macht. Die Lichtform Gottes hat daher alle göttlichen Attribute und Eigenschaften: Sie ist allgegenwärtig, allwissend und allmächtig (wie seine anderen Manifestationsformen auch). Diese göttlichen Manifestationsformen entfernen automatisch und ohne unser Zutun die Schichten von grobstofflichen Eindrücken, die die Seele bedecken, ihre Bewusstheit mindern und ihre Aufmerksamkeit an die Dinge der grobstofflichen Welt binden.

Manchmal lachen die Menschen ungläubig, wenn sie hören, dass die spirituelle Praxis der Meditation das Leiden und Unglücklichsein beenden wird. Aber es stimmt. Denn durch die Meditationspraxis werden die Bindungen an die grobstoffliche Welt, die die Seele nicht in Ruhe lassen und dauernd beschäftigt halten, nach und nach durch die einfließende Gottes-kraft aufgelöst. Die Menschen sind unglücklich in dieser Welt, weil sie Bindungen an bestimmte Dinge und Ziele haben: Sie wollen unbedingt dies haben und das erreichen, sie wollen jenes vermeiden, haben Angst vor diesem und jenem usw. Und wenn ihre Hoffnungen, Pläne und Wünsche nicht aufgehen, sind sie enttäuscht, traurig, besorgt, wütend – eben unglücklich. Das Anhaften an das eine oder andere ist die eigentliche Ursache für dieses Unglücklichsein. Aber wenn unsere Seele mit dem göttlichen Licht im Innern zusammenkommt, löst es diese Bindungen auf, so dass wir den Dingen dieser Welt gleichmütig und ohne Begehren oder Ablehnung begegnen können.

Soami Divyanand

Foto(s): Thinkstock

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