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Erfüllung, Frieden und Glück – das ist das ursprüngliche Anliegen der Religionen. Alles nur leere Versprechungen? Auf die spirituelle Praxis kommt es an!

Die Religionen der Welt unterscheiden sich in vielem, aber in ihrem Ziel stimmen sie alle miteinander überein: die Rückkehr der Seele zu ihrem göttlichen Ursprung. Die Essenz aller Religion besteht darin, dass unsere Seele mit Gott eins wird. Warum aber sehnt sich unsere Seele nach Gott? Weil sie nur in Verbindung mit ihrem Ursprung von allen Sorgen und Nöten, die sich aus dem Anhaften an die Dinge der materiellen Welt ergeben, befreit ist. Wenn unsere Seele sich unter dem Einfluss des Gemüts an den Dingen dieser Welt erfreut, führt diese Lust zu Anhaftung und dem Verlangen nach weiterer Freude. Werden unsere Wünsche und Erwartungen erfüllt, schreiben wir dies unseren eigenen Bemühungen zu und sind stolz auf unsere Leistung (Ego), hängen am Gegenstand unseres Verlangens (Bindung) und wünschen uns noch mehr davon (Gier). Bleiben unsere Wünsche jedoch unerfüllt, sind wir frustriert und ärgerlich (Zorn) und unser Verlangen verstärkt sich. So stecken wir fest in einer Spirale von immer neuen Wünschen, die unsere Unzufriedenheit und unser Elend in dieser Welt nur verschärfen. Deshalb sagte Lord Buddha: „Seid wunschlos!“ Wollen wir glücklich sein, müssen wir frei von Wünschen sein. Und es ist die Aufgabe aller Religion, die Seelen in diesen Zustand der Freiheit zu versetzen – Freiheit von Wünschen, von Bindung und den Sorgen um die Dinge dieser Welt.

Den Hunger der Seele stillen

Nun stellt sich die Frage, wie wir diesen Wünschen ein Ende setzen können. Das Problem liegt darin, die Aktivität des Gemüts unter Kontrolle zu halten. Das Gemüt ist permanent mit seinen Empfindungen, Wünschen und Überlegungen befasst. Aus eigener Kraft können wir diese Aktivität nicht abstellen, denn Wünsche haben eine mächtige Anziehungskraft – sie halten unsere Aufmerksamkeit besetzt. Es gibt nur eine Möglichkeit, aus dem endlosen Kreislauf des Wünschens und Denkens freizukommen, und zwar indem wir eine größere Freude im Inneren (in der Seele) finden, als in der materiellen Welt zu finden ist. Diese findet die Seele, wenn sie mit Gott in Verbindung kommt. Denn in der Begegnung fließt die Gotteskraft mit beseligender Wirkung in die Seele ein; die Seele nimmt Gott quasi in sich auf und wird gesättigt. In diesem Sinne sagte Jesus: „Esst mich und trinkt mich!“ (Joh. 6,54-58) und bezog sich dabei auf die rein geistige Substanz der Gotteskraft, die durch ihn wirkte. Wie soll das aber konkret gehen, das Göttliche bzw. den Christus „essen und trinken“? Durch das Ritual der Heiligen Kommunion, das mit Suggestion und Vorstellungskraft operiert, kann ja keine Seele wirklich von Gott erfüllt werden.

Was ist ein Gottmensch?

Zunächst müssen wir verstehen, wer oder was Jesus Christus war. Am Anfang des Johannes-Evangeliums heißt es: „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns“ (Joh. 1,14). Dieses Wort ist die Gotteskraft, die sich manifestiert in Form von spirituellem Licht und Klang. Und wenn diese manifestierte Gotteskraft durch einen auf Erden lebenden Menschen wirkt, ist dieser ein Gottmensch. Zum Gottmenschen Jesus Christus gehören also zwei Aspekte: Zum einen ist er Menschensohn, der einen menschlichen Körper hat und isst, trinkt und sich wie jeder gewöhnliche Mensch bewegt; und zum anderen ist er Gottessohn, der Mitteilungen von Gott empfängt und entsprechend wirkt. Dass die Gotteskraft vor 2.000 Jahren durch Jesus Christus wirkte, war nichts Neues oder Einzigartiges. Die Gotteskraft hat sich zu allen Zeiten und in allen Regionen der Welt durch einen solchen menschlichen Pol zum Ausdruck gebracht. Der indische Mystiker Kabir sagte: „Nicht ich bin es, der spricht, sondern die Gotteskraft spricht durch mich.“ Lord Krishna sagte: „Gott wirkt durch mich“ und auch: „Ich bin mit einer Botschaft Gottes gekommen.“ Der zehnte Guru der Sikhs sagte: „Ich bin von Gott gesandt worden, um der Welt seine Botschaft zu überbringen.“ Jesus Christus sagte: „Ich und der Vater sind eins“ (Joh. 10, 30).

So betonten alle Propheten zu allen Zeiten, dass die von ihnen verkündete Botschaft nicht von ihnen selbst, sondern von Gott komme und sie nur sein Sprachrohr seien. Sie alle sprachen zu den Menschen über die Gotteskraft, die durch sie wirkte. So kommt es, dass sich dieselbe Grundbotschaft in den verschiedenen heiligen Schriften findet, in den Veden wie in der Bibel, dem Koran und anderen Schriften. Die Botschaft ist immer dieselbe, nur die Ausdrucksweise der Botschafter ist eine andere entsprechend der Zeit, der jeweiligen Kultur und Atmosphäre.

Jeder hat spirituelles Potenzial

Die Möglichkeit, mit Gott in Verbindung zu stehen und Botschaften von ihm zu empfangen, beschränkt sich nicht auf die Gottessöhne. Jeder Mensch kann mit Gott kommunizieren und seine Botschaften erhalten. Dazu müssen wir aber im eigenen Inneren den Kontakt mit Gott suchen. Darauf kommt es an. Nur durch die eigene, direkte Verbindung mit Gott können wir wahre Kenntnis von ihm haben und können dann nachvollziehen, was in den Heiligen Schriften steht. Die Methode, durch die wir in Verbindung mit Gott kommen können, ist die Meditation, die uns die spirituellen Meister im Namen der Religion lehren. Des Meisters Aufgabe besteht darin, uns nach innen zu führen, so dass wir den Kontakt zum Göttlichen erhalten. Wenn wir dies regelmäßig praktizieren und die Verbindung mit Gott im Inneren festigen, erhalten wir seine Mitteilungen und Anweisungen direkt. Wir sind dann auf keinen anderen Mittler angewiesen.

Eine Sache der Praxis

Der religiöse Erkenntnisweg ist also eine Sache der Praxis, damit wir unsere eigene Erfahrung von Gott haben können. Es handelt sich nicht um eine Vorstellung oder Visualisierung, sondern um eine tatsächliche Begegnung mit Gott, der sich der Seele in verschiedenen Formen von Licht und Klang zu erkennen gibt. Der Erkenntnisweg beruht auf drei Voraussetzungen. Der erste Punkt ist, dass wir den menschlichen Körper haben müssen. Zweitens brauchen wir einen Lehrer, der uns anleitet, damit wir den Weg nach innen gehen können. Unser Gemüt ist nämlich mit so vielen Eindrücken aus vielen Leben angefüllt, dass wir die Flut der Eindrücke nicht alleine abstellen und zur Ruhe kommen können; deshalb brauchen wir einen Führer. Drittens müssen wir dies unter seiner Anleitung tatsächlich selbst in die Praxis umsetzen, damit wir unsere eigene Erfahrung machen können.

müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten“, sagte Jesus zur Samariterin (vgl. Joh. 4, 21-24). Um Gott im Geist anzubeten, brauchen wir weder äußere Hilfsmittel noch besondere Orte, noch irgendwelche Rituale. Den spirituellen Meister braucht es, um uns anzuleiten, aber den Weg müssen wir selbst gehen; der Meister kann nicht an unserer Stelle praktizieren, denn davon hätten wir nichts. Gott anzubeten besteht also darin, dass wir den inneren Pfad der Meditation gehen, dass unsere Seele mit Gott im Innern Verbindung aufnimmt, dass unsere Seele Gott in sich aufnimmt oder „isst“. So wird unsere Seele frei von weltlicher Bindung und vereint sich mit Gott – das ist Religion im eigentlichen Sinn.

Kompetente spirituelle Führung

Um diesen praktischen Weg der Gotterfahrung aufzunehmen und darauf voranzukommen, benötigen wir also die Anleitung und Führung einer Gott-verwirklichten Seele. Denn „wenn ein Blinder den Blinden führt, fallen beide in die Grube.“ Wir brauchen jemanden, der selbst Gott vollumfänglich erkannt hat, so dass er uns den Weg dahin zeigen kann. Wenn eine derart Gott-verwirklichte Seele – man kann ihn als Prophet, Gottessohn, Heiliger, Meister oder Guru bezeichnen – da ist und die Kompetenz besitzt, uns mit Gott zu verbinden, wird er jedem, der zu ihm kommt und ihn darum bittet, den Kontakt zu Gott vermitteln.

Wenn ein solcher Gottmensch die Welt verlässt – schließlich ist er als Menschensohn ja auch dem Tode unterworfen –, wenn er also stirbt, geschieht es immer wieder, dass seine Anhänger anfangen, die Menschen in einer organisierten Gemeinschaft zusammenzuschließen, und in seinem Namen eine neue Religion gründen. Wenn wir die Schriften, die das bezeugen, sehr sorgfältig studieren, werden wir finden, dass es jene Schüler bzw. Anhänger sind, die nicht die spirituelle Kompetenz besaßen, für andere Menschen die innere Verbindung zu Gott herzustellen. Ihr einziges Ziel bestand jeweils darin, im Namen ihres Meisters eine Gemeinschaft zu gründen.

Verfall und Spaltung

Nach dem Tod des Propheten oder Gottmenschen wird als erstes, mangels spiritueller Kompetenz bei seinen Anhängern, der praktische Pfad der Meditation an den Rand gedrängt und durch kontemplatives Nachdenken und Visualisierung ersetzt. Statt tatsächlich das Licht Gottes im Innern der Seele zu sehen, heißt es dann: „Stell dir das Licht Gottes vor.“ Wir sollen uns jedoch nichts vormachen, sondern nur unser störendes Gemüt zur Ruhe bringen und unsere Seele zu Gott erheben, und dann geschieht es von selbst, dass Gott sich unserer Seele offenbart. Als nächstes werden Rituale und Sakramente eingeführt, wie z.B. Taufe, Kommunion oder Pilgerfahrten, die an die Stelle der echten inneren Gotterfahrung treten und sie symbolisch nachbildend ersetzen. Im Lauf der Zeit werden diese symbolischen Ersatzhandlungen abgewandelt und angepasst, so dass sie ihren ursprünglichen Bezug zur spirituellen Erfahrung verlieren und niemand ihren Sinn mehr kennt.

Auf einer weiteren Stufe stellen Menschen, die die Lehren der organisierten Religionen kennengelernt haben, Diskrepanzen und Widersprüche zu den heiligen Schriften fest. Es kommt mangels eigener Gotterfahrung zu unterschiedlichen Auslegungen der Schriften und völlig neuen Lehrmeinungen, über die innerhalb einer Religion Kontroversen und Konflikte entbrennen, die wiederum zur Abspaltung und Entstehung verschiedener Sekten führen.

So entsteht mit der Zeit aus dem Wirken eines einzigen Gottmenschen heraus eine verwirrende Vielfalt von religiösen Auffassungen und Religionsgemeinschaften. Dabei ist Religion in ihrem Kern überall dasselbe und vor allem eine Sache der eigenen praktischen Erfahrung.

Soami Divyanand

Foto(s): THINKSTOCK

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