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Burnout und Achtsamkeit

Burnout als Folge über mäßigen Leistungs strebens und anhaltenden Beschäftigt-Seins? Veraus gaben sich Betrof fene bis zur Zwangspause, weil „der Motor heiß gelaufen ist“? Trifft Burnout nur die Fleißigen?  Was ist Burnout überhaupt? Und gibt es einen wirksamen Schutz dagegen?

Herr Greiner, ist ein Burnout wirklich der Beweis dafür, dass der oder die Betroffene alles gegeben hat, über sich selbst hinausgewachsen und jetzt „ausgepowert“ ist? Bestätigt Burnout eine hohe Leistungsbereitschaft?
Viele sehen es so: „Ich habe für eine Sache gebrannt, mich voll und ganz reingegeben. Burnout ist dann der Moment, an dem nichts mehr geht.“ Das kann man als Bestätigung oder verquere Form von Anerkennung verstehen. Als Beweis, wie leistungsfähig ich bin, wie beharrlich und ausdauernd. Als ein Durchsetzen gegenüber tatsächlicher oder vermeintlicher Konkurrenz. Der Preis hierfür ist sehr hoch, und das merken viele erst, wenn wirklich gar nichts mehr geht.

Was kennzeichnet den „typischen“ Burnout-Patienten?
Betroffene kommen mit einer Angststörung, einer Abhängigkeit oder klassisch mit einer Depression in unsere Klinik. Im Verlauf der Behandlung werden Ursache und Belastungsumstände deutlich. Burnout kann jeden treffen, aber es gibt Risikofaktoren: Perfektionismus, ein hohes Verantwortungsgefühl, ein großes Engagement, ein Beweisen-müssen, Nichts-falsch-machen-dürfen, Alles-kontrollieren-wollen… Burnout entsteht nicht automatisch, indem ich für eine Sache brenne. Sondern wenn ich mich darin verliere, und damit den Kontakt zu meinen inneren Werten, meinen Bedürfnissen und meiner inneren Orientierung. Kurz gesagt: Wenn ich mich von mir selbst entfremde.

Burnout als Entwicklung: an welchem Punkt sollte man aufmerksam werden, reagieren, und wie?
Betroffene geben bei Absinken der Leistung erstmal noch mehr Gas: Tabletten gegen Kopf- und Rückenschmerzen, Vernachlässigen von Freunden wegen wichtiger Arbeit, das Glas Wein am Abend, um runterzukommen. Das löst das Problem aber nicht, sondern verschärft es. Wirklich aufmerksam sollte man werden, wenn man gar nicht mehr zur Ruhe kommt, die Stimmung schlechter wird, Schlafstörungen auftreten, Gereiztheit, Kopf-, Bauch- oder Rückenschmerzen. Es gibt nicht das eine Warnzeichen, dafür sind wir Menschen zu unterschiedlich und die Ursachen des Burnout zu komplex. Wenn ich oder mein Umfeld aber feststellen, dass ich immer öfter gedanklich abwesend bin, emotional abstumpfe oder besonders empfindlich reagiere, mich zurückziehe und Nachts kein Auge mehr zu tun kann, dann ist dringend Hilfe geboten. Also Kontakt mit einem Arzt oder Psychotherapeuten, der objektiv und von außen eine Einschätzung vornehmen kann. Eine ambulante Psychotherapie kann helfen; manchmal ist aber auch eine stationäre Behandlung angezeigt. Die Distanz zum alltäglichen Lebensumfeld und die intensivere Therapie hilft den Betroffenen, wieder zu sich zu kommen.

Sie verfolgen in ihrer Klinik seit deren Gründung im Jahr 1990 ein ganzheitliches Therapiekonzept, das Achtsamkeit und Meditation besonders berücksichtigt. Warum gerade für Patienten mit Burnout?
Weil es den Kontakt mit sich selbst wiederherstellt, mit den eigenen Werten, Zielen und Bedürfnissen. Meditation und Achtsamkeit finden generell Einzug in die Psychotherapie. Es geht um Akzeptanz dessen, was ist, um ein bewertungsfreies Hinschauen im ersten Schritt. Dann aber auch um die Frage, was ich in meinem Leben verändern will und kann, um so zu leben, wie es mir entspricht. In den Heiligenfeld Kliniken versuchen wir schon immer, den ganzen Menschen wahrzunehmen, nicht nur seine Störung oder seine Diagnose, nicht nur das problematische Verhalten usw., sondern alle Aspekte und Teilbereiche – Körper, Seele, Geist, soziale Beziehungen, berufliche Situation. Achtsamkeit und Meditation sind wertvolle Methoden, die helfen, den eigenen Blick zu klären.

Meditieren Sie selbst auch?
Was ich regelmäßig in meinen Tagesablauf einzubauen versuche, sind Momente des Nichtstuns. Ich unterbreche meine aktuelle Tätigkeit, lehne mich auf meinem Stuhl zurück und schaue aus dem Fenster. Ich denke an nichts Spezielles, sondern lasse meine Gedanken und meinen Blick einfach „frei“. Das hilft mir ungemein, wieder in Kontakt mit mir zu kommen, liefert mir neue Ideen oder präsentiert mir die Lösung für ein Problem, an das ich gar nicht bewusst gedacht habe. ‚Nichtstun‘ unterstützt meine eigene Kreativität und Produktivität.

 Was raten Sie jemandem, der dieses Interview liest und vielleicht bei sich erste Anzeichen einer Erschöpfung feststellt?
Diese Signale ernst zu nehmen! Entweder ich befinde mich tatsächlich auf dem Weg zu einem körperlich-geistigen Zusammenbruch und sollte mir schnellstmöglich Unterstützung holen. Oder ich bin aus Gründen gestresst, überreizt oder überfordert, die eher temporärer Natur sind und vielleicht auch von alleine wieder vorbeigehen. Wenn ich meine Bedürfnisse wahr- und ernstnehme, kann ich überlegen, was ich gerade brauche, um nicht noch gestresster, überreizter oder überforderter zu werden. Letztlich ist es nie verkehrt, regelmäßig innezuhalten und sich zu fragen: „Wie geht’s mir gerade? Was ist los in meinem Leben, wie komme ich damit zurecht, und was fehlt mir vielleicht?“ Es ist jedoch manchmal leichter, diese Fragen gestellt zu bekommen, anstatt sie sich selbst zu stellen.

Die Fragen stellte Kai Fraass, Pressereferent der Heiligenfeld Kliniken

Vom 16. bis 19. Mai 2019 findet der Heiligenfelder Kongress zum Thema »Achtsamkeit: Evolution – Bewusstsein – Menschsein« statt. Wir laden Sie herzlich ein, das tiefere und umfassendere Potenzial der Achtsamkeit zu reflektieren und zu erspüren. Und natürlich soll es auch darum gehen, wie wir Achtsamkeit anwenden. Mehr als 60 Referenten aus Medizin und Psychotherapie, Schule, Wirtschaft, Politik, Kunst, Kultur und Gesellschaft geben hierzu Impulse, wie zum Beispiel Prof. Dr. Thomas Metzinger, Pierre Stutz, Dr. Anna Gamma, Mounira Latrache, Prof. Dr. Michael von Brück, Prof. Dr. Tania Singer, Dr. Joachim Galuska, Rudi Ballreich, Jan Phillipp Sendker u.v.m.

In den Heiligenfeld-Kliniken wird mit Achtsamkeit gearbeitet. Für den Therapeuten ist es hilfreich und nützlich, sich in Achtsamkeit und Präsenz zu verankern und so Patienten zu begegnen. Wir nennen dieses Vorgehen eine "beseelte Psychotherapie". Diese Seelenverbindung zwischen Therapeut und Patient kann Heilung und Selbstheilungsprozesse in Gang setzen, die aus einer größeren Tiefe und Weite stammen als die üblichen therapeutischen Techniken. Sie schaffen einen gemeinsamen Bewusstseinsraum, der ein enormes Potential für die Heilung besitzt.

Der Therapie-Alltag in den Heiligenfeld Kliniken besteht neben expliziten Therapie-Angeboten aus Achtsamkeits-Elementen: zweimal wöchentlich wird eine Mahlzeit schweigend eingenommen. Patienten, die gern situativ oder grundsätzlich schweigend essen wollen, können an einem geeigneten Schweigetisch Platz nehmen. Jeden Spätnachmittag wird eine Stunde der Stille und Achtsamkeit eingeläutet, in der Meditationen angeboten werden und zu "stillen Tätigkeiten" geraten wird. Das Ziel ist eine möglichst umfassende Bewusstseins- und Präsenzschulung.

Dr. Joachim Galuska, Geschäftsführer der Heiligenfeld Kliniken und der Akademie Heiligenfeld

Akademie Heiligenfeld GmbH
Altenbergweg 6
97688 Bad Kissingen
Tel.: 0971 844600
E-Mail:info EP_AT akademie-heiligenfeld EP_DOT de
www.kongress-heiligenfeld.de

 

FOTO: gettyimages

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