Magazin Visionen - Einfach. Besser. Leben.

Nichts in dieser Welt kann uns echten Frieden schenken. Jeder muss den Frieden in sich selber schaffen und das kann man lernen – durch die mystische Praxis der Meditation.

Innerhalb der einzelnen Schöpfungsebenen ist diese Welt die Stätte des Kampfes. Hier war niemals Frieden, und hier wird niemals Frieden sein. Die Probleme der Gegenwart lösen nur die Probleme der Vergangenheit ab. Wo Gemüt und Materie regieren, kann es keinen Frieden geben. An einem solchen Ort hören Kampf und Leid nie auf, und weder der Einzelne noch seine Gemeinschaft noch sein Volk bleiben davon verschont. Deshalb muss die Seele anderswo Frieden suchen. Dies ist eine individuelle Angelegenheit. Jeder muss den Frieden in sich selber suchen.

Suche den Frieden und jage ihm nach (Ps. 34,15).

Wir sind als Einzelwesen in die Welt gekommen, und als Einzelne verlassen wir sie auch, alle auf demselben Weg – durch den Vorgang des Sterbens. Dabei zieht sich das Bewusstsein, beginnend bei den Extremitäten, vom Körper zurück, bis es schließlich den Augenbrennpunkt (das so genannte Dritte Auge in der Stirnmitte) passiert und sich endgültig vom Körper trennt. Im Augenblick der Geburt spielt sich der umgekehrte Vorgang ab. Sobald die Aufmerksamkeit erneut in entgegengesetzter Richtung das Augenzentrum durchquert, bleibt der Körper ohne Leben und Empwnden zurück. Schüler des spirituellen Pfades üben sich bei der Meditation täglich in diesem Vorgang des Sterbens und werden täglich neu geboren. Für sie wird der Tod zur Routineangelegenheit.

Die Dein Licht haben, haben die Fülle des Friedens (Ps 119,165).

Im Inneren des Menschen liegen noch andere Welten, die nicht aus grober Materie bestehen, sondern als geistige Ebenen beschrieben werden können. Solange das denkende Gemüt nicht stetig wird, bleiben sie ihm verborgen. Unsere Sinnesorgane – Augen, Ohren usw. – verbinden uns nur mit der materiellen Welt. Wenn das Gemüt nun aufhört, durch diese Sinneskanäle nach außen zu yießen, ist unser Bewusstsein, während es innen verweilt, völlig von der Außenwelt getrennt. Das heißt, wir sind so gut wie tot. Aber sobald wir das Gemüt wieder in die Sinneskanäle lenken, leben wir erneut in der Welt.

Wenn wir noch einen Schritt weitergehen und das von außen abgekehrte Gemüt nach innen wenden, tun sich uns die inneren Welten auf. In dem Maße, wie dieser Vorgang – das Zurückziehen der Aufmerksamkeit von den Sinnen und die Einkehr in das innere Reich – zur Gewohnheit wird, kann der Mensch willentlich bald in dieser, bald in jener Sphäre wirken. Gegenwärtig leben wir ausschließlich in der physischen Welt und sind, geistig gesehen, tot. Wer gelernt hat, im Leben zu sterben, lebt jeweils dort, wo seine Aufmerksamkeit wirkt.

Solange das Gemüt aber noch nicht imstande ist, die Eindrücke dieser Welt aus freien Stücken hinter sich zu lassen, kann es sich nicht im Inneren halten, geschweige denn das Reich des Geistes betreten. Dennoch ist es grundsätzlich dazu in der Lage und muss diese Fähigkeit nur entwickeln. Das dauert freilich seine Zeit und erfordert Glauben, Ausdauer und Geduld.

Die Frucht des Geistes aber ist Frieden (Gal 5,22).

Solange wir nur in dieser Welt, auf der materiellen Ebene, wirken, sind wir nichts weiter als Materialisten. Im Wachzustand sind wir unmittelbar mit der materiellen Welt verknüpft; auch im Traum besteht diese Verbindung fort, denn Träume sind ein Nachhall unserer Eindrücke aus dem Wachzustand. Im Tiefschlaf ist die Verbindung mit der materiellen Welt völlig unterbrochen. Er ist ein Zustand dumpfen Unbewusstseins. Gemessen am Wachzustand sind Traum und Tiefschlaf Zustände relativer und völliger Bewusstlosigkeit.

Innerhalb dieser drei Bereiche spielt sich das menschliche Leben ab: Wir sind entweder wach, träumen oder schlafen. Wenn wir einmal von den Phasen des Halbbewusstseins und der Unbewusstheit absehen und uns fragen, wie sich das Gemüt im Wachzustand verhält, stellen wir fest, dass die Gedanken wie Bienen von einem Gegenstand zum anderen schwirren. Flüchtigen Empwndungen der Freude folgt die Enttäuschung auf dem Fuß.

Die Vergänglichkeit des Irdischen gewährt dem Gemüt keinen dauerhaften Frieden, und es leidet unter jedem Verlust. Im so genannten bewussten Zustand ist bleibender Friede also nicht zu erreichen.

Zum Frieden hat euch Gott berufen (1 Kor 7,15).

Alle Mystiker und Philosophen rühmen einmütig die bevorzugte Stellung des Menschen innerhalb der Schöpfung. Sie beruht auf der Tatsache, dass nur der Mensch das Geheimnis der Schöpfung entschlüsseln kann, indem er die Ur-Sache hinter allen Wirkungen erkennt. Solange er dieses Rätsel nicht löst, lebt er vergebens. Deshalb liegt es mir so sehr am Herzen, die Bedeutung dieses Zieles herauszustellen. Wer den erhabenen Weg der Meditation über das göttliche Licht und den göttlichen Klangstrom geht, sollte ihm mit Glauben, Liebe und ganzem Einsatz folgen, bis er den Hort des ewigen Friedens und der ewigen Glückseligkeit erreicht.

Das Reich Gottes ist Frieden und Freude im heiligen Geist (Röm 14,16).

Schon seit undenklichen Zeiten jagt das Gemüt den Dingen dieser Welt hinterher. Eine Weile stellen sie es wohl zufrieden – bis sein Verlangen aufs Neue erwacht. Das beste Mittel, ihm seinen Geschmack am Pseudo-Glanz der Welt zu verleiden, besteht darin, es von der inneren Seligkeit kosten zu lassen, die jede irdische Freude bei weitem übersteigt. Man erfährt sie durch das ständige (oder doch zumindest möglichst ausgedehnte) tägliche Hören auf den göttlichen Klangstrom, der das rastlose Gemüt erfolgreich zur Ruhe bringt. Je mehr Zeit auf die Meditation verwendet wird, desto deutlicher ist der göttliche Klang in der Seele zu vernehmen. Er zähmt den „wilden Affen“ des Gemüts und erfüllt es mit seinem Frieden.

An diesem Orte will ich Frieden stiften (Hag. 2, 9).

Wenn die Aufmerksamkeit sich mit dem göttlichen Klang verbindet und im Innern ruht, lebt man mit sich und der Welt in Frieden. Der einzige Ort dauernden Friedens liegt im Inneren des Menschen. Nichts Irdisches – weder Mensch noch Ding – kann uns diesen Frieden schenken.

  Sawan Singh

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Foto(s): gettyimages

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