„Hilf mir, es allein zu tun“ – das ist einer der zeitlos gültigen Aphorismen der großen Maria Montessori, Ärztin und weltbekannte Reformpädagogin.
Sie hat zu Beginn des 20. Jh. in Rom das „Casa dei Bambini“ begründet und verstand jedes Kind als „Baumeister seines Selbst“. Damit hat sie die „Hilfe zur Selbsthilfe“ in den Mittelpunkt eines im Grunde lebenslangen Prozesses gestellt. Denn um uns selbst zu helfen, ist es unabdingbar, unser Selbst zu durchdringen. Uns selbst zu erkennen. Und das ist – richtig! – ein Prozess. Ein Werden im Sein.
Was uns bewegt
Wenn wir „Hilfe“ näher heranzoomen, können wir leicht zwei unterschiedliche Quellen erkennen. Beide sind an sich wunderbar, doch eine davon ist ‚wunder-voller‘.
„In der Not helfen dir meist viele Menschen“, wusste schon Marie Ebner von Eschenbach – und so ist es auch. Denn es gibt eine Hilfe, die unser Gewissen beruhigt und deren oftmals versteckte Motivation darin besteht, die Dankbarkeit auszudrücken dafür, dass es uns nicht selbst erwischt hat.
Für jene, die Hilfe notwendig haben, um die Not zu wenden, ist es gleichgültig, aus welchem Motiv diese Hilfe erfolgt. Hauptsache, es hilft. Für uns jedoch, die wir hinter den Vorhang schauen wollen, um zu ergründen, aus welchen inneren Quellen Hilfe fließen kann, ist der Unterschied erhellend.
Geben ist seliger denn Nehmen
Das klingt gut, doch stimmt es auch? Ist es nicht vielmehr so, dass wir dadurch das Geben subtil erhöhen? Könnte es sein, dass wir dadurch das Ausatmen höherstellen wollten als das Einatmen? Leben an sich ist ein dialektischer Prozess, ein gleichwertiges Ein- und Ausatmen, ein Geben und Nehmen. Das ist existentiell ohne jeden Zweifel richtig, doch … gilt das auch für den gelebten Alltag? Hier ist es doch so, dass wir uns besser fühlen, wenn wir die Gebenden sind. Dann wissen wir einerseits, wann wir was geben, und sind zudem auf der sicheren Seite. Auf der Seite des Überflusses. Auf der Seite, die von der Not verschont blieb. Daher ist Geben seliger als Nehmen.
Geben ist aus dieser Perspektive ein aktives, ein bewusstes Tun. Das Risiko ist sehr begrenzt. Was kann schon schiefgehen? Wen das Leben jedoch in die Position des Hilfsbedürftigen gedrückt hat, der muss offen und bereit sein, um zu empfangen. Und er weiß in aller Regel nicht, was er empfangen wird. So gesehen kommt Geben vom männlichen Pol, während Nehmen dem weiblichen Pol zugewiesen werden kann.
Wenn wir an diesem Punkt noch tiefer gehen, so wird deutlich: Diese Form des Gebens stärkt eine mentale Struktur. Es ist im Grunde die Struktur unseres Egos. Das Ego ist stolz darauf zu geben; denn „Geben ist seliger denn Nehmen“.
Somit haben wir eine der beiden oben genannten Quellen klar herausgearbeitet.
Helfen aus dem Herzen
Wir alle wissen, dass es neben dem Ego-Verstand noch eine andere Quelle in uns gibt. Diese ist dem Herzen zugewiesen. Der Verstand ist ein Spekulant. Das ist seine Natur. Das Herz hingegen beherbergt die Unschuld der Weisheit.
Der Verstand will und muss sich produzieren. Möchte durch seine Klugheit glänzen. Das Herz hingeben ist Heimat des atmenden Seins. Hier wohnt die Stille der Weisheit. Hier ist die Herberge unseres Selbst. Von hier aus werden wir zu „Baumeistern“, wie Montessori sagte, zu Architekten unseres Seins.
Das Herz erfasst die existentielle Verbundenheit allen Lebens und bewegt sich weise im Meer des Seins. Wenn das erwachte Herz eine Not erkennt, so fließt seine Hilfe, seine ihm mögliche Unterstützung, anmutig zur rechten Zeit an die richtige Stelle. Das so erwachte Herz kennt keine Erwartungen – und genau das schafft Raum.
Helfen aus dem Herzen ist Ausdruck eines weisen, eines erwachten Herzens. Diese Form des Helfens ist multidimensional und nährend auf vielen Ebenen. Helfen aus dem Herzen ist Weisheit in Aktion. Und das Schönste ist: Du alleine kannst es tun. Du kannst es alleine tun.
Karl Gamper
Buch: „Zusammen sind wir genial“