Magazin Visionen - Einfach. Besser. Leben.

Die spirituelle Reise ist lang, sie beginnt mit der göttlichen Berührung der Seele durch einen vollendeten Meister, der sie durch die Initiation in seine Obhut nimmt und von da an bis zum Ziel begleitet.

Damit die Saat der Göttlichkeit, die bei der Initiation gelegt wird, zum Aufkeimen und zu voller Blüte gelangen kann, braucht es eine ethische Grundhaltung. Deshalb werden spirituelle Schüler zur Entfaltung der fünf Haupttugenden und zur täglichen Selbstprüfung angehalten.

1. Nicht verletzen 

Ahimsa, d. h. andere nicht verletzen oder schädigen, weder in Gedanken, Worten noch Taten, ist eine veredelnde Tugend, die jeden Einzelnen seinem Mitmenschen ebenbürtig macht und letzten Endes zu der grundlegenden Bruderschaft der Menschen führt. Die Pyege dieser Tugend erfordert die Entfaltung von Toleranz und Mitgefühl gegenüber allen, ungeachtet ihrer Unzulänglichkeiten und Fehler. Ein Herz voll göttlichen Mitgefühls ist die Wohnstatt aller Tugenden.

Wenn wir tatsächlich Gott wollen und danach streben, Ihn zu erreichen, dann müssen wir lernen, Seine Schöpfung zu lieben; denn Gott ist nichts als Liebe. Der hl. Johannes erklärt nachdrücklich: „Wer nicht liebt, kennt Gott nicht; denn Gott ist Liebe.“ (1. Johannesbrief 4.8) Und der hl. Kabir sagte: „Die Seele im Menschen ist vom gleichen Geist wie Gott.“ Genauso ist es. Wir müssen versuchen, in einer natürlichen Gewohnheit der Liebe zu allem, das ist, zu leben.

Wir leben durch die Liebe Gottes, die nichts weniger als ein Lebensprinzip ist. Die ganze Schöpfung ist eine Offenbarung Seiner Liebe und Gott wohnt wahrhaftig in ihr. Wiederum heißt es, dass die ganze Schöpfung aus dem Licht Gottes hervorgegangen ist, und aus diesem Grunde kann keiner gut oder schlecht genannt werden. Im Grunde genommen liegen unser aller Wurzeln tief im Licht und Leben Gottes eingebettet, auch wenn wir uns dessen nicht bewusst sind, weil wir nur selten eine Gelegenheit erhalten, nach innen zu schauen; denn wir werden die ganze Zeit völlig von unserer äußeren Umgebung in Anspruch genommen und haben nicht die geringste Vorstellung von dem, was im wirklichen Wesen des Wesentlichen, dem Ursprung allen Lebens, liegt: Die Liebe und das Licht Gottes. Wenn wir dies wüssten und in unserem täglichen Leben praktizierten, könnten wir nicht anders als in Seiner Liebe leben.

2. Wahrhaftigkeit

Gott ist die Wahrheit, und die Wahrheit ist Gott. Ein wahrhaftiger Mensch wirkt immer im Licht Gottes. Er hat nichts zu fürchten auf der Welt. Immer in göttliches Licht gehüllt, wirkt und gibt er sich schlicht und einfach, da Gott allein sein Notanker und seine Zuyucht ist. Lügt nichtt Denn wenn ihr es tut, täuscht ihr zuerst euch selbst und dann die anderen; darüber hinaus müsst ihr noch weiter lügen, um die eine Lüge zu decken. Lebt besser nach dem Motto: „Sei ehrlich zu dir selbst und täusche dir nicht selber etwas vor.“ Wer zu sich selbst ehrlich und wahrhaftig ist, braucht keinen zu fürchten, „denn er ist wahr zu Gott, der in ihm wohnt und in allen Herzen weilt“. Er wird deswegen in der Wahrheit sprechen, denken und handeln, denn er ist sich der göttlichen Hilfe bei jedem Schritt bewusst.

Die Wahrheit aller Wahrheiten liegt in den innersten Tiefen der menschlichen Seele und muss ausgegraben werden und in all unserem Tun Anwendung wnden. Der göttliche Ur-Klang ist der Ursprung allen Lebens und nur, wenn wir uns mit ihm auf dem göttlichen Grund der Seele verbinden, werden wir wirklich wahrhaftig und unser Leben kann der Wahrheit gemäß geformt werden. Wenn man die Wahrheit praktiziert und in der Wahrheit lebt, wird man von Gottes Liebe eingehüllt und kann allen und jedem Liebe geben.

3. Selbstbeherrschung, Sinneskontrolle

Die Sinne unter Kontrolle zu halten, sich zu beherrschen und nicht jeder Lust nachzugeben, ist eine Tugend, die man beachten muss, wenn man im Leben Erfolg haben will, sei es weltlich oder spirituell. Ein sauberes, ausgeglichenes Leben der Mäßigung und Selbstdisziplin ist ein fruchtbarer Boden, in dem die Saat der Spiritualität am besten gedeiht. Es schließt eine Beherrschung in Gedanken, Worten und Taten ein.

Dies kann schwierig sein, viel hängt dabei von unserem Umfeld und unserer Lebensweise ab. Auch unsere Nahrung spielt eine nicht unbedeutende Rolle bei der Entwicklung unserer Denkweise. Die Nahrung, die wir in unser System aufnehmen, färbt unseren Lebensimpuls in ihrer Farbe. Verdorbene oder tote Nahrung trägt kein Leben in sich. Das ist der Grund, warum die Meister des spirituellen Pfades immer auf der vollständigen Enthaltsamkeit von allem Fleisch, Fisch, Geyügel und Eiern, aller alkoholischen Getränke und sonstiger Rauschmittel bestehen. Denn das eine schwächt die Denkfähigkeit, während das andere tierische Leidenschaften im Inneren aufkommen lässt und einen gegenüber den höheren Lebensimpulsen empwndungslos macht.

4. Demut, Bescheidenheit

Demut, die Bereitschaft zu dienen, und Bescheidenheit zeichnen die Heiligen aus. Ein echter MeisterHeiliger sieht Gottes Licht in jedem Augenblick, und so ist es kein Wunder, dass er dem Schüler wie einem Ebenbürtigen begegnet und ihn wie seinesgleichen behandelt. „Dienen vor dem Selbst“ ist eine seltene Gabe. Wenn dasselbe „Selbst“ in jedem lebenden Geschöpf wirksam ist, sollte man eigentlich Freude am Dienst an der eigenen Sache haben. „Selbst“ und „Dienen“ sind nur zwei Aspekte der Gottheit. Dieses Verständnis der allumfassenden Natur des Universums mit seinen vielfältigen Mustern und Gestaltungen bringt eine gleichmütige Einstellung mit sich, die nach und nach zu Heiterkeit und Gelassenheit führt; man arbeitet im Dienst aller und sieht das belebende Prinzip in der ganzen Schöpfung.

Falscher Stolz, ob auf Besitz oder Vermögen, auf spirituelles Wissen oder intellektuelle Kenntnisse, und Eitelkeit wegen dem sozialen Stand führen das Gemüt des spirituellen Schülers immer auf Abwege. Hingegen ist ein Herz voller Bescheidenheit ein geeignetes Gefäß für Gottes Gnade, das, wenn es vollgefüllt ist, von selbst auf andere überläuft.

5. Ernährung

Wie bereits unter „Selbstbeherrschung“ erörtert, spielt die Nahrung eine entscheidende Rolle im Leben eines spirituellen Aspiranten, und darum sollte sie genau beachtet werden. Alle oben indizierten Speisen und Getränke müssen, selbst wenn ärztlich empfohlen, gewissenhaft gemieden werden, da nichts davon die uns zuerkannte Lebensspanne verlängern kann, noch der Ernährung wirklich dienlich ist. Es ist eine völlig falsche Vorstellung, dass Fleisch oder Eier „Extrakraft“ und Stärke eintragen; im Gegenteil, diese Dinge geben den sinnlichen Lüsten Auftrieb, was auf die Dauer eine enorme Zerstreuung der Lebensenergie zur Folge hat. Es ist daher erfreulich, dass die Menschen auf der ganzen Welt allmählich die Vorteile der vegetarischen Kost erkennen und die Bedeutung des Vegetarismus in allen Ländern vermittelt wird.

6. Selbstlos dienen und helfen

Der Mensch ist ein dreifältiges Wesen, er besteht aus Körper, Gemüt und Seele und es gehört sich für ihn, dass er seinen Mitgeschöpfen auf allen drei Gebieten dient. „Durch die Liebe diene einer dem anderen“, ermahnt uns der hl. Paulus. Ein persischer Spruch sagt: „Dienen erhöht den Dienenden.“ Es heißt auch: „Selbstloses Dienen ist eine große Tugend und ein Lohn in sich selbst.“ Es ist ein Hauptthema in den Lehren der spirituellen Meister. Sie sind selbst eine Verkörperung selbstlosen Dienens. Je mehr einer dient, umso weiter dehnt sich das eigene Selbst aus und mit der Zeit umfasst es die gesamte Schöpfung.

Selbstloses Dienen kann, je nach den Mitteln und Fähigkeiten des Einzelnen, verschiedene Formen annehmen. Manche lieben es, die Armen und Bedürftigen, die Geknickten und Kranken zu besuchen, um ihnen in ihrer Not zu helfen. Jedes gütige Wort, jede helfende Hand, die man den Bedürftigen reicht, hilft eine Menge bei der Läuterung von Körper und Gemüt. Ein wohlhabender Mensch wiederum, dessen Herz voll Liebe ist, teilt sein Geld mit den Armen und Bedürftigen und gibt von seinem Vermögen für karitative Zwecke. Aber die Gaben müssen freiwillig gespendet sein und dürfen von keinerlei Gedanken an Belohnung begleitet werden, sonst würden sie zu einer Quelle der Bindung, statt zu einer Befreiung. Wiederum sollte Wohltätigkeit nicht an der falschen Stelle geübt werden, sie sollte wirklich die Leiden der Bedrängten in dieser Welt lindern.

7. Spirituelle Praxis

Die spirituellen Übungen bilden einen wesentlichen Teil im Leben des spirituellen Aspiranten, sie sind ein tägliches „Muss“. Es sollten daher bestimmte Zeiten für die Meditation festgelegt werden, die man regelmäßig einhält; denn sie geben der Seele Nahrung und man wird ins göttliche Licht im Innern geführt, welches das Dunkel der Unwissenheit aufhebt. Tägliche Meditationen räumen den groben Unrat weg, der sich durch die Sinne in der Seele sammelt. Es gleicht der täglichen Reinigung des empfangsbereiten Gefäßes, in das die göttliche Gnade ungehindert hineinyießen kann.

Kurzum, die Selbstprüfung hilft, die Auswüchse und alles, das nicht wünschenswert ist, zu beschneiden und einzudämmen, während die Meditation (die spirituellen Praktiken) dem spirituellen Schüler neue Perspektiven der Glückseligkeit eröffnet.

Kirpal Singh

SANT KIRPAL SINGH (1894-1974) wirkte seit 1948 als spiritueller Meister. Auf seinen Vortragsreisen und als langjähriger Präsident der „Weltgemeinschaft der Religionen“ erwarb er sich in Ost und West große Achtung und Sympathie.

Foto(s): getty images

Mehr VISIONEN?

Dieser Teaser zeigt einen kleinen Ausschnitt der Dezember/Januar-Ausgabe.

Hat es gefallen? Das neue Heft gleich hier bestellen.

Die digitale Ausgabe findest du gleich hier!

Du willst Visionen nicht verpassen? Dann ist das Abo genau richtig!
Viel Freude und Inspiration beim Schmökern!

Visionen Newsletter abonnieren

Herzlich willkommen bei VISIONEN!

Bewusst & nachhaltig gelebtes Leben im Hier und Jetzt liegt uns am Herzen, das möchten wir mit Dir teilen.
Als Dankeschön für Dein Interesse an unserem Newsletter schenken wir Dir € 5.-
im visionen-shop (ab Bestellwert € 20)

€ 5,-
Gutschein

nach oben