Vor meiner Erstkommunion sagte mir mein Kommunionslehrer, ich müsste vorher zur Beichte gehen, denn schließlich müsse ja meine Seele rein sein, wenn sie vor Gott tritt.
Als 7-jähriges Mädchen habe ich mir das so vorgestellt, dass alles, was ich Unrechtes in den Augen Gottes getan habe, einen schwarzen Punkt auf meiner Seele hinterlässt. Und wer wollte schon schmutzig sein?
Das war zwar kindlich naiv, aber letztendlich doch treffend: Sünde ist das Phänomen, das meine Seele von Gott fernhält, ja die Einheit meiner Seele mit Gott verhindert und es mir unmöglich macht, Gott zu sehen oder zu erfahren.
Bei Sünde geht es also nicht nur um moralisch falsches oder unrechtes Handeln, sondern darüber hinaus um die gestörte Beziehung der Seele zu Gott. Unter diesem Aspekt muss ich mein heutiges Handeln weniger an der Frage: „Was habe ich falsch gemacht?“ ausrichten, als an der Frage: „Was kann ich tun, um die Harmonie und Einheit mit Gott wiederherzustellen? Was kann ich tun, um die Schleier von meiner Seele zu entfernen, damit ich Gott schauen kann?“
DIE SÜNDE BESTEHT DARIN,
DASS DIE SEELE IHRE ORDNUNG
VERLIERT, SO WIE DIE KRANKHEIT
IN EINER UNORDNUNG
DES LEIBES BESTEHT.
Thomas von Aquin
Eine Antwort auf diese Frage könnte mein ganzes Leben auf den Kopf stellen: Wäre die Einheit mit Gott tatsächlich mein Lebensziel und Lebenszweck, dann müsste mein Handeln hier und heute komplett anders bewertet werden. Um das Getrenntsein von Gott zu beenden, dürfte mein Handeln keine weitere Trennung mehr verursachen, wobei mir die ethischen Werte der Religionen als Wegweiser helfen könnten, und zum anderen müsste alles, was mich bisher von Gott trennte, aus der Welt geschafft werden. Wahrlich eine Sisyphus-Aufgabe!
Aber wenn nicht heute damit anfangen, wann dann?
Eure Visionäre