Die Angst vor der Sünde und die Freiheit des Gewissens - Mit gesenktem Kopf betrete ich den dunklen Beichtstuhl und knie mich vor das hölzerne Gitter.
Dahinter erkenne ich das Profil unseres Pfarrers, der mich mit kräftiger Stimme begrüßt:
Amen, flüstere ich und schicke gleich meinen auswendig gelernten Text hinterher:
Meine letzte Beichte war vor vier Wochen.
Ich habe meinen Bruder geärgert.
Ich habe meinen Eltern Widerworte gegeben.
Ich hatte unkeusche Gedanken.
Ich habe beim Beten gelacht.
Stille. Dann ein Räuspern. Der Kopf hinter dem
Gitter fragt mich, ob es mir leid tue?
Ich nicke heftig.
- Wie bitte?
Ja, flüstere ich.
- Wie bitte?!
Ja!
Zur Buße, sagt der Priester, solle ich drei Vater Unser beten und drei Gegrüßet Seist Du Maria – ganz langsam und andächtig. Vor allem aber solle ich mich bemühen, freundlich zu meiner Familie zu sein.
Ich nicke.
Ja, schicke ich schnell hinterher.
Denn endlich die Erlösung. Mit feierlicher Stimme rezitiert der Pfarrer die lateinischen Sätze mit der Erlösungsformel: Ego te absolvo. Deine Sünden sind dir vergeben. Gehe nun hin in Frieden.
Christian Stahlhut