Es passiert, wenn ich gar nicht damit rechne. Auf den Hinweis eines Freundes hin besuche ich – nach längerer Zeit mal wieder – einen Gottesdienst.
Mit rund achtzig Menschen sitze ich in einem ovalen Lehmbau – der Kapelle der Versöhnung. Der Ort hat etwas Geborgenes, das mich unwillkürlich an einen Walfischbauch denken lässt.
Die Kapelle wurde hier 1999 errichtet – mitten auf dem ehemaligen Mauerstreifen. Bis 1988 stand hier noch die imposante, 75 Meter hohe Versöhnungskirche, die im Krieg schwer beschädigt worden war. Die DDR-Regierung ließ sie sprengen, nicht ahnend, dass die Versöhnung der beiden Bruderstaaten unmittelbar bevorstand.
Ich weiß nicht genau, was mit mir geschieht. Der Ort, die Menschen, die Herzenssprache des Pfarrers, und nicht zuletzt die Musik. Irgendwann laufen mir die Tränen. Der Organist hat eigens für diesen Ort eine Toccata komponiert.
Christian Stahlhut