Magazin Visionen - Einfach. Besser. Leben.

Wer bin ich? Wo komme ich her? Wo gehe ich am Ende hin? Das sind Kernfragen der Spiritualität, aber sie lassen sich nicht durch Bücherlesen und Diskussionen beantworten.

Von Anbeginn der Schöpfung, seit dem ersten Aufflackern des SelbstErwachens im Menschen, befasst er sich mit dem Problem seiner irdischen Existenz und dem Erforschen der Ursache und Quelle aller Schöpfung. Seit jeher fragen die Weisen: „Welches Wissen ist es, das uns alles andere erkennen lässt?“, und im selben Atemzug antworten sie: „Es ist das Wissen um das höhere Selbst, das Wissen vom wahren Menschen.“ Das höchste, umfassendste Wissen ist also das, was sich in Theorie und Praxis mit der wahren Natur des Menschen und seiner Beziehung zu Gott befasst.

Das praktische Erforschen des höheren Selbst ist tatsächlich eine Wissenschaft, die nicht auf Hypothesen beruht und sich auch nicht mit der Zeit verändert. Im alten Indien nannte man diese Wissenschaft para-vidya (höchstes Wissen, Wissen von der absoluten Wahrheit, auch Wissenschaft vom Jenseits) und mit der Zeit wurden diverse Begriffe eingeführt, um diese Wissenschaft zu deuten. So wurde der Begriff apara-vidya eingeführt, der die praktische Vorbereitung auf das Erlangen des höchsten Wissens von para-vidya bezeichnet. Diese Vorbereitung besteht darin, ein ethisches Leben zu führen und die Konzentration (auf vielerlei Arten) praktisch zu üben und zu stärken; beides ist unerlässlich für die geistige Entwicklung.

Ein übergeordnetes natürliches Gesetz 

Der Mensch setzt sich aus Körper, Gemüt, Intellekt und Seele zusammen. Wir sind sehr bemüht um unsere physische und mentale Entwicklung, verstehen aber sehr wenig von der Seele, welche aber die „Kraft“ ist, die den Körper und das Gemüt beherrscht. Physische Freuden sind nicht von Dauer; Körper und Gemüt haben ihre Grenzen, die wir nicht ignorieren können. So müssen wir nach dauerhaften Quellen der Freude und des Friedens in uns selbst forschen, und Selbst-Analyse ist der erste Schritt in dieser Richtung.

An diesem Punkt müssen wir uns mit unseren Fragen und Zweifeln befassen. Es gibt eine allmächtige Kraft – Gott genannt –, an die die meisten Menschen glauben, die von den meisten verehrt und besprochen wird. Können wir mehr über Ihn erfahren? Können wir Ihn überhaupt sehen, gar mit Ihm sprechen? Es gibt eine definitive und klare Antwort auf jede dieser Fragen: „Ja, wir können Ihn sehen und mit Ihm sprechen, wenn wir uns im Geist zu Ihm erheben.“ Die spirituellen Meister sagen: „Ja, und dafür brauchen wir nicht zu warten, bis der Tod kommt, sondern wir können es jetzt schon zu Lebzeiten erfahren.“ Wie das? Dies geschieht in Einklang mit natürlichen Gesetzen, von denen wir bislang noch keine Kenntnis haben.

Um uns herum sehen wir und empfinden auch, dass alles – vom winzigen Atom bis zum gewaltigen Universum – von einem ordnenden Naturgesetz regiert wird. Für tiefgründige Denker gibt es nichts Chaotisches, Zufälliges oder Unbestimmtes in Bezug auf das Universum und die Gesetze, welche es regieren. Um ein Ziel auf irgendeinem Gebiet zu erreichen, gibt es ein entsprechendes Naturgesetz, ein Prinzip und eine entsprechende Methode, die eine Kontrolle, ein Prüfen und Abwägen des Erfolges unserer Bemühungen miteinschließt. So ist es auch in dieser Wissenschaft von der wahren Natur des Selbst, und sorgfältige Forscher werden in allen religiösen Schriften sich ähnelnde Methoden finden, nur in jeweils anderen Worten und verschiedenen Sprachen ausgedrückt.

Bücherwissen genügt nicht

Wir möchten also in das „Reich Gottes“ eintreten, aber wie soll das gehen? „Mit der Hilfe und Führung von einem, der es selbst betreten hat und uns dorthin führen kann“, lautet die einfache Antwort der spirituellen Meister. Ist dies möglich? „Es ist eine exakte und zuverlässige Wissenschaft“, antworten sie nochmals. Es reicht nicht, sich mit heiligen Büchern auszukennen und Hymnen zu singen, wir müssen nach dem gleichen Grad des Fortschritts streben, den die spirituell kompetenten Meister vor uns erreicht haben. Ihre Erfahrung muss die unsere werden, denn was ein Mensch geschafft hat, kann auch ein anderer schaffen – natürlich mit der geeigneten Führung und Hilfe. Wir sollten uns mit nichts Geringerem zufriedengeben!

Wieder fragen wir: „Jesus und andere große Meister sprachen so liebevoll von Gott, wir aber sind Sünder – gibt es überhaupt eine Hoffnung für uns in diesem Zeitalter?“ Die beruhigende Antwort der Meister: „Es hat nichts zu sagen, ob du der schlimmste Sünder bist – halte ein, wo du gerade bist! Es gibt für jeden Hoffnung, sogar in diesem kritischen Zeitalter!“ Die Natur hat uns vor Äonen materiell und spirituell ausgestattet. Für die Hungrigen ist Nahrung, für die Durstigen ist Wasser da. Das unumstößliche Gesetz von Bedarf und Versorgung wirkt.

Was ist Spiritualität?

An dieser Stelle ist es wohl angebracht, den Begriff „Spiritualität“ zu erklären, die oft mit blindem Glauben an heilige Bücher, mit dem Vorführen von Wundern, psychischen Phänomenen oder Yogi-Kräften verwechselt wird. Spiritualität ist eine innere Erfahrung und beginnt erst da, wo alles Philosophieren und alle Yoga-Praktiken enden. Sie ist eine Erfahrung der Seele.

Wenn man sagt: „Ich bin der Körper“, so ist das ein Gefühl, das auf dem Intellekt gründet, und wird als Unwissenheit definiert. Sagt man: „Ich bin nicht der Körper, sondern die erwachte Seele“, so ist dies nur angelerntes Wissen bzw. nur Theorie. Wenn man jedoch durch Selbst-Analyse wirkliche Seelen-Erfahrung erlangt und das Überselbst berührt, dann ist es Spiritualität.

Die erste praktische Lektion in der Spiritualität beginnt, wenn der Mensch sich mit der Hilfe eines erfahrenen spirituellen Meisters vom physischen Körper völlig zurückgezogen hat. Dies ist die erste Stufe, um etwas über die Wirklichkeit der Seele zu erfahren. Sobald man eine eigene Erfahrung davon hat – so gering sie auch sein mag –, ist man überzeugt und wird mit täglicher Übung dieses praktischen „Experiments“ immer weiter fortschreiten.

Ohne Hilfe kann sich niemand vom physischen Körper zurückziehen und lösen. Alle Versuche ohne den Beistand eines wirklichen Meisters, der zur Vermittlung dieser Erfahrung qualifiziert ist, werden fehlschlagen.

Die Meister wirken unter den Menschen, um die Schätze der spirituellen Segnungen an die Sucher nach wahrer Spiritualität zu verteilen. Sie kann weder gekauft noch gelehrt werden, aber man kann sie durch den Kontakt mit spirituellen Menschen erreichen. Die Gaben der Natur wie Licht, Luft, Wasser etc. sind gratis; auch Spiritualität ist eine Gabe der Natur und wird von wahren Meistern gratis gegeben. Spiritualität kann auch nicht aus Büchern erworben werden, wie alle Heiligen und Meister betonen. Die heiligen Bücher enthalten wertvolle Berichte über innere spirituelle Erfahrungen. Sie überliefern die Botschaften früherer Heiligen und Meister, welche die von den gegenwärtigen Meistern enthüllten Tatsachen bestätigen und so unser Vertrauen in diese Wissenschaft stärken. Durch die vielfältigen, ungenauen und widersprüchlichen Übersetzungen und Auslegungen der heiligen Schriften jedoch wird der fragende Sucher nur verwirrt; anstatt sein Gemüt zu erleichtern, führen sie ihn in die Irre und machen ihn ratlos.

Um die Wissenschaft vom wahren Selbst gründlich zu verstehen, können wir die Lehrversammlungen (satsang) eines spirituellen Meisters besuchen, wo die meisten unserer Zweifel geklärt werden. Direkte Anfrage beim Meister wird die restlichen Bedenken zum Schwinden bringen. Alle Fragen finden die gleiche ruhige Betrachtung, ohne Disputieren. Ob reich oder arm, hoch oder niedrig, allen wird die gleiche Aufmerksamkeit zuteil. Auch Menschen, die seine Sprache nicht verstehen, profitieren von der Gemeinschaft mit ihm, von seiner bloßen Gegenwart. Ein wahrer spiritueller Meister segnet durch seine Blicke, seine Augen sind ein wunderbarer Liebesquell.

Der Geist weht, wo er will

Spiritualität ist eine einfachere und leichtere Wissenschaft als all die anderen. Der Mensch braucht sich nicht anzustrengen, außer bei der eigenen ethischen und moralischen Transformation hin zu den Höhen der Liebe, Aufrichtigkeit und Demut, welche den notwendigen Zustand der Empfänglichkeit in ihm bewirken. Alles weitere, sein Fortschritt in der spirituellen Praxis, liegt in den Händen des Meisters, der ihn im Innern begleitet.

Spiritualität sollte außerdem nicht nach der Zahl der Anhänger, die einer hat, beurteilt werden. Ein guter Redner kann überall die Massen anziehen, es braucht deshalb nicht irgendetwas Wesentliches oder Überzeugendes in seiner Rede zu sein. Spiritualität ist auch nicht das ausschließliche Eigentum irgendeiner Familie oder eines Ortes; vielmehr ist sie wie eine duftende Blume, die gerade dort wächst, wo immer sie die Natur hingesetzt hat und um welche sich die Bienen von nah und fern sammeln, ihren Nektar zu trinken.

Spirituelle Meister kamen in allen Zeitaltern, um den Menschen diese „Natürliche Wissenschaft“ vom wahren Selbst zu vermitteln. Aber nur Menschen, die mit der Welt unzufrieden sind, suchen bei ihnen Zuflucht; andere, denen die Attraktionen und Vergnügungen dieser Welt lieb sind, wenden sich ab. Manche Menschen, in deren Herzen alle edlen Gefühle tot sind, stellen den Meistern nicht nur alle möglichen Hindernisse in den Weg, sondern unterziehen sie sogar der Folter, wie wir aus dem Leben von Jesus, Kabir und vielen anderen wissen. So kamen Meister in der Vergangenheit, sie existieren heute und sie werden auch in Zukunft zum spirituellen Nutzen der Menschheit kommen.

Kirpal Singh

Sant Kirpal Singh (1894-1974) wirkte seit 1948 als spiritueller Meister. Auf seinen Vortragsreisen und als langjähriger Präsident der „Weltgemeinschaft der Religionen“ erwarb er sich in Ost und West große Achtung und Sympathie.

Foto(s): getty images

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