Umweltzerstörung, Genmanipulation, atomare Bedrohung – wird die Menschheit nicht nur andere Lebewesen auf der Erde, sondern auch sich selbst auslöschen? Spirituelle Antworten auf Kernfragen unserer Zeit
Die globale Bedrohung
Frage: Sie betonen, dass eine spirituelle, in Gott begründete Ethik eine reale Kraft ist, die den Menschen von innen her inspiriert und in seinem Handeln leitet, und dass diese ethische Führung stets den Anforderungen der jeweiligen Situation entspricht.
Müssen aber nicht Menschen, die sich von einer globalen Katastrophe bedroht sehen, an der Kompetenz Gottes zweifeln, ob Er sie mit der nötigen ethischen Inspiration zu segnen vermag? Ist es nicht vielmehr an der Zeit, unsere Ethik an der Frage neu zu orientieren, wie wir die Lebensbedingungen auf der Erde so verändern können, dass die Menschheit und die Schöpfung überhaupt weiter darauf existieren können?
Soami Divyanand: Ich bin der Ansicht, dass die globale Bedrohung häufig falsch eingeschätzt wird. Natürlich muss die Menschheit für ihre maßlose Ausbeutung der Natur die Rechnung bezahlen. Wir leiden bereits unter den Auswirkungen der selbstverursachten Umweltverschmutzung und Umweltzerstörung. Und es sieht so aus, als stünden wir erst am Anfang dieser Rückwirkungen. Ich möchte aber betonen, dass wir in diesem Zusammenhang häufig die Rechnung ohne den Wirt machen: Wir vergessen, dass es einen Schöpfer und Erhalter dieser Welt gibt, der das ganze Universum kontrolliert. Wir machen immer wieder den Fehler zu glauben, alles hinge nur von uns Menschen ab, und wenn wir schwerwiegende Fehler begehen, dann sei die Erde nicht mehr zu retten. Eine solche Auffassung zeugt davon, dass wir nicht wirklich an die Existenz des allmächtigen Gottes glauben.
Jesus Christus sagte einmal zu seinen Jüngern: „Kauft man nicht zwei Sperlinge für einen Groschen? Dennoch fällt keiner von ihnen auf die Erde, ohne dass euer Vater es will. Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Haupt alle gezählt. Darum fürchtet euch nicht; ihr seid kostbarer als viele Sperlinge“ (Matthäus 10:29–31). Und bei einer anderen Gelegenheit sagte er sogar: „Kein Haar von eurem Haupt wird verlorengehen“ (Lukas 21:18). Wie sollten wir Menschen dann in der Lage sein, die ganze Erde oder zumindest den größten Teil davon zu zerstören, solange Gott es nicht will?
Gott behält die Kontrolle
Den Veden zufolge befinden wir uns in einem Schöpfungszyklus, der 4,2 Milliarden Jahre dauert, wovon etwa die Hälfte vergangen ist. Demnach müsste diese Schöpfung nochmals zwei Milliarden Jahre weiterbestehen. Die Vorstellung einer Katastrophe, die in nächster Zukunft das gesamte Leben zerstören kann, wäre also eine irrige Spekulation. Auch wenn der Mensch sich derart im materiellen Fortschritt verliert, dass er sich sein eigenes Leben auf Erden eher erschwert als erleichtert, heißt dies nicht, dass Gott ihm bis zur Zerstörung dieses Planeten freien Lauf lässt. Genauso wie Gott zu allen Zeiten Menschen inspirierte und ihnen die richtigen ethischen Leitlinien für ihr Handeln durch Offenbarungen vermittelte, geschieht dies auch heute und wird in alle Zukunft geschehen.
Auch wenn Gott dem Menschen einen großen Handlungsspielraum gewährt, der seine Freiheit ausmacht, so behält Er dennoch die Kontrolle über die Menschheit. Die Erhaltung der Schöpfung liegt somit nicht in der Macht des Menschen, sondern in Gottes Hand, der Seine Aufgabe auch erfüllt. Wenn Er nach Ablauf eines Schöpfungszyklus die Welt vergehen lässt, so erschafft Er sie aufs Neue aus sich selbst heraus, durch Manifestation. Er erhält sie und lässt sie nur dann untergehen, wenn es Seinem Plan entspricht, und nicht etwa, weil es der Mensch in seiner Unwissenheit so weit hat kommen lassen.
Menschliche Selbstüberschätzung
Der Mensch ist aus dieser Sicht ein ganz bescheidenes Geschöpf, das hinsichtlich des ganzen Universums eine recht unwesentliche Rolle spielt, während Gottes Manifestationen von ganz entscheidender Bedeutung sind. Zuerst manifestiert sich Gott in Form des Ur-Klangs, der sich zur Manifestation des göttlichen Lichts verdichtet, das sich seinerseits in Atomen zu Materie verdichtet und im nächsten Schritt wiederum durch die Verbindung der Atome geformte Materie schafft. Wir sind viel zu gering, als dass wir uns die Größe des Schöpfungsvorgangs auch nur annähernd vorstellen könnten.
Bis heute gibt es in dieser Schöpfung so viele Wunder, so viele Rätsel, die wir nicht verstehen können. Ernsthafte Wissenschaftler sind sich darüber im Klaren, dass sie von diesen Geheimnissen bestenfalls die äußerste Oberfläche enthüllt haben. Die Wissenschaft wird sich weiterentwickeln und dem Menschen neue Erkenntnisse vermitteln – und es wäre völlig falsch, sie geringzuschätzen. Gegenüber der Größe und Allmacht des Schöpfers sollte sie jedoch auch nicht überschätzt werden. Gott manifestiert sich ständig und vermittelt den Menschen Seine Botschaften, um die Welt entsprechend Seinem Plan unter Kontrolle zu halten. Es ist nicht angebracht, ständig in Furcht vor einer globalen Katastrophe zu leben, denn diese Furcht gründet in der Selbstüberschätzung des Menschen und seinem mangelnden Gottvertrauen.
Der Mensch wäre tatsächlich viel besser beraten, wenn er Gottes Gebote annehmen und befolgen würde. Da Gott die kontrollierende Kraft im Universum ist, wird der Mensch letztlich ohnehin von Gottes Willen gelenkt, ob ihm dies bewusst ist oder nicht. Wenn er sich diesem alles umfassenden Willen freiwillig und gerne unterordnet, dann ist es eine Freude für ihn, während er es sich unnötig schwer macht, wenn er durch die bitteren Früchte seines Handelns zur Einsicht gezwungen werden muss. Wer sich dem Willen Gottes unterordnet, hört auch auf, sich um die Erhaltung der Erde Sorgen zu machen.
"Wie kann Gott das zulassen?"
Frage: Damit haben Sie aber die Frage nicht beantwortet, warum Gott es zu der nicht gerade wünschenswerten Situation auf Erden kommen ließ, die dem willkürlichen Eingreifen des Menschen in die Natur zuzuschreiben ist. Wenn Gott stets als kontrollierende Kraft über diese Welt herrscht, dann hat Er dem Menschen bewusst erlaubt, eine solche Zivilisation mit ihrem zerstörerischen Potenzial zu entfalten. Hat Er es womöglich zugelassen, um dem Menschen eine Lektion zu erteilen, und wenn dies so wäre, wie hieße dann die Lektion?
Antwort: Nein, es geht nicht um irgendeine Lektion, sondern um das unantastbare Prinzip, dass der Mensch die Freiheit besitzt, nach eigenem Ermessen zu handeln. Diese Freiheit ist nötig, damit er letztlich aus Einsicht den rechten Weg findet, der ihn zugleich zum Gehorsam gegenüber Gott führt.
Zweifellos macht der Mensch häufig schlechten Gebrauch von seiner Freiheit. Unsere moderne Zivilisation gleicht dem Zauberlehrling, der die Kräfte, die er rief und zu nutzen hoffte, nicht mehr bannen kann. Auf diese Weise kommt es zuweilen in der Geschichte zu einem Zustand, in dem die ganze Menschheit sich selbst Schaden zufügt. Wenn die Menschen jedoch all ihren Verstand einsetzen, um einen Ausweg aus ihrer selbstverschuldeten Lage zu finden, werden sie sich auf Gott besinnen und damit auf den Weg zurückfinden, der ihnen aus ihrer gefährlichen Situation heraushilft.
Es ist nicht das erste Mal, seit der Mensch existiert, dass es zu einer solch gefährlichen Zivilisation gekommen ist wie der heutigen, und doch wurde dadurch nie die ganze Erde zerstört. In der Vergangenheit wie heute lässt Gott es niemals zu, dass der Mensch seine Lebensgrundlagen vollständig zerstört.
Freier Wille oder Selbstbeschränkung?
Frage: Sollte sich der Mensch nicht aus ganz praktischen Erwägungen heraus eine gewisse Selbstbeschränkung auferlegen? Als ganz konkretes Beispiel drängt sich die Genforschung auf, die heute in der Lage ist, Tierarten zu manipulieren, also Neuschöpfungen wie die Verbindung aus Schwein und Schaf allein durch Genmanipulation zu entwickeln, oder neue Pflanzenarten und Bakterien zu erfinden? Es werden auch Experimente an menschlichen Embryonen durchgeführt, die auf genetische Optimierung des Menschen hinzielen. Die Forscher geben selbst zu, dass sie die Ergebnisse und Konsequenzen ihrer Experimente nicht vorhersagen können. Stimmen Sie nicht zu, dass der Mensch – auch aus Gründen der Vernunft – seinem freien Willen selbst Schranken setzen sollte?
Antwort: Nein, er sollte seinen freien Willen, der eine Gabe Gottes ist, auch dazu nutzen können, die Möglichkeiten seines Verstandes auszuschöpfen. Der Mensch wird nur zu etwa einem Drittel von den Rückwirkungen seines Karmas beherrscht und ist demnach zu etwa zwei Dritteln frei, zu tun und zu lassen, was er möchte. Diese Freiheit spielt sich jedoch immer nur im Rahmen des göttlichen Gesetzes ab. Der Mensch kann sich gar nicht außerhalb Gottes stellen, da Gott in allem wirkt und alles unter Kontrolle hält.
Statt sich künstliche Selbstbeschränkung aufzuerlegen, sollte der Mensch nach bestem Wissen und Gewissen handeln und in Ausrichtung auf Gott sein Bestes geben, das Ergebnis aber Gott überlassen und als Gottes Willen annehmen. Wenn sich der Mensch nicht selbst anstrengt und sich nicht den Herausforderungen des Lebens auf dieser Welt stellt, worin läge dann der Sinn jener Freiheit, die Gott ihm zubilligt? Es würde nicht einmal mit Gottes Willen übereinstimmen, wenn wir uns das, was Er uns zur Verfügung gestellt hat, also auch die Möglichkeiten unseres Verstandes und vor allem die Freiheit der Entscheidung, nicht nutzen würden. Gott hat den Menschen nicht als Sklaven geschaffen, sondern ihn mit einer Freiheit ausgestattet, die er in vollem Umfang einsetzen sollte.
Ethische Grundsätze
Frage: Alle heiligen Schriften geben uns aber bestimmte ethische Normen an die Hand. Sollten wir dann nicht unsere Freiheit entsprechend diesen Geboten Gottes einschränken? Brauchen wir nicht auch ein gewisses Maß an Institutionalisierung und Allgemeingültigkeit dieser ethischen Grundsätze in der breiten Öffentlichkeit, statt nur individuelle Verbindlichkeit, damit sie Wirkung zeigen?
Antwort: Zweifellos sind solche allgemeingültigen, von Gott gegebenen Normen in den heiligen Schriften enthalten. Der Mensch hat sie im Zuge der Überlieferung und Auslegung jedoch so weit manipuliert, dass es sehr schwer geworden ist, ihren ursprünglichen Sinn zu verstehen. Der Zugang zu den göttlichen Normen liegt nicht bei einer öffentlichen Institution, sondern auf der Ebene des einzelnen Menschen, in seiner Seele. Wenn der Einzelne sich in seinem persönlichen Verhalten Disziplin auferlegt und sich von den von Gott gegebenen Normen leiten lässt, kann er in Übereinstimmung mit dem göttlichen Gesetz leben.
Menschheitsprobleme und Einzelschicksale
Frage: Einerseits wird mancher Ihr Vertrauen in den Einzelnen und sein persönliches ethisches Empfinden positiv werten. Andererseits müssen wir jedoch einsehen, dass die Schwierigkeiten, die ich nur angedeutet habe, globale Probleme mit globalen Auswirkungen sind. Der Reaktorunfall von Tschernobyl hat uns erstmals auf erschreckend reale Weise vor Augen geführt, dass solche verhängnisvollen Ereignisse nicht mehr auf ein Land beschränkt bleiben, sondern die ganze Welt beeinträchtigen.
Antwort: Es ist zweifellos richtig, dass die Auswirkungen der Genforschung oder auch der Kernphysik und ihrer jeweiligen technischen Anwendung die ganze Welt betreffen und nicht an Ländergrenzen Halt machen. Dennoch sollte man nicht vergessen, dass die Forschung von einzelnen Menschen betrieben wird und dass es diese Auswirkungen nicht gäbe, wenn einzelne Forscher auf ihrem jeweiligen Gebiet nicht erfolgreich gewesen wären. So lassen sich diese globalen Probleme nur lösen, wenn sich wiederum einzelne Forscher, Wissenschaftler, Techniker, Fachleute auf unterschiedlichen Gebieten um ihre Lösung bemühen, denn nur von einzelnen Menschen kann die Lösung kommen. Der individuelle Geist spielt eine große Rolle, wenn er sich von Gott inspirieren lässt.
Haben wir beispielsweise aus Tschernobyl gelernt, dass es Katastrophen gibt, die letztlich die ganze Welt ergreifen, so sollten wir dennoch den Blick für das Einzelschicksal nicht verlieren. Da diese Erde ein Ausschnitt aus Gottes Universum ist, kann auf ihr nichts geschehen, was nicht in den Rahmen von Gottes Gesetz hineinpasst. Wie könnte Jesus sagen, dass ohne Gottes Willen nicht einmal ein Haar von unserem Kopf fallen kann, wenn es möglich wäre, dass eine Katastrophe wie die von Tschernobyl so viele Menschen durch einen tragischen Zufall oder menschliches Versagen ins Unglück stürzt? Bei genauerem Hinschauen müssen wir zugeben, dass bei dieser Katastrophe nur eine begrenzte Zahl von Menschen konkret durch Erkrankungen und andere Auswirkungen darunter gelitten hat. Dabei sind die Auswirkungen wiederum abgestuft – vom Tod über schwere Erkrankungen bis hin zu leichten Leiden.
Wir dürfen bei solchen Katastrophen nicht aus den Augen verlieren, dass das Gesetz des Karmas – das Gesetz von Ursache und Wirkung – auch hier wirkt und die Betroffenen infolge ihrer früheren Handlungen dieser Katastrophe ausgesetzt wurden. Andere wiederum, denen dies nicht von ihrem Schicksal vorherbestimmt war, konnten sich rechtzeitig retten oder blieben auf irgendeine Weise verschont. So wirkt das göttliche Gesetz im ganzen Universum und wird niemals, auch angesichts schwerer Katastrophen, vom Menschen außer Kraft gesetzt.
Soami Divyanand