Magazin Visionen - Einfach. Besser. Leben.

Anderen ihre Fehler zu verzeihen und zu vergeben, beschert nicht nur Frieden und Harmonie im Alltagsleben. Es kommt auch der eigenen Meditation zugute.

Solange ihr nicht mit euren Feinden Freundschaft schließt, findet ihr keinen inneren Frieden. Sogar im Schlaf plagen euch unruhige Träume. Wenn irgendjemand auf aggressive Art und Weise von euch denkt oder spricht, dann tut es ihm nicht gleich, sonst wirken seine Gedanken auf euch zurück. Trifft eine Wasserwelle auf eine harte Fläche, z. B. einen Felsen, prallt sie zurück; trifft sie aber auf etwas Flexibles, Biegsames, wird sie davon aufgesogen wie von einem Schwamm und es gibt keine heftige Reaktion. Mit einem bösen Wort fängt es an. Wird es aber erwidert, zieht es viele weitere nach sich. Was, wenn es nicht erwidert wird? Dann bleibt es bei dem einen.

Das Spiel durchschauen

Denkt an den Vers von Sheikh Farid du-Din: „Die ganze Welt spielt auf, und auch du tanzt nach ihrer Pfeife.“ Es ist besser, kühlen Kopfes zu versuchen, zwischen den Zeilen zu lesen und herauszufinden, warum der Betreffende sich so feindselig verhält, und dann entsprechend zu handeln. So schützt man sich vor Selbsterniedrigung. Üble Nachrede, Lüge und Täuschung, Heuchelei, genüssliches Lästern über andere und dergleichen schädliche Aktivitäten wirken samt und sonders erniedrigend auf die Seele.

Hört also auf, schlecht von anderen zu denken! Haltet eure Herzen rein und, da Gott in jedem Einzelnen wohnt, versucht, in allen nur das Beste zu sehen.

Welche Pflichten euch von Gott auch immer auferlegt wurden, erfüllt sie mit Liebe, und wenn andere sich vor ihren Aufgaben drücken, redet ihnen liebevoll zu und betet für sie, sie möchten sich eines Besseren besinnen. Dann überlasst sie Gott. Wenn wir uns ständig vor Augen halten würden, dass der Gott, den wir verehren, in allen Menschen wohnt – wir würden keinen einzigen Bruder, keine einzige Schwester darben lassen.

Eine Art göttlicher Moral

Jesus hörte nicht auf, zwei Kardinaltugenden zu predigen: Erstens: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ und zweitens: „Liebe deine Feinde“. Heißt das etwa, man sollte seinen Feinden aus Ängstlichkeit oder Schwäche mit Liebe und Nachsicht begegnen? Nein, hinter einer solchen Haltung steckt eine Art göttlicher Moral: Liebt den Sünder, aber hasst die Sünde.

Reinheit besteht in erster Linie darin, anderen nicht übelzuwollen, sei es in Gedanken, Worten oder Taten. Wenn ihr gut von anderen denkt, werdet ihr Güte ausstrahlen. Wer sein eigenes Gemüt läutert, tut dasselbe für andere Menschen.

Verletzt andere nicht – unter keinen Umständen! Wenn wir schlecht von anderen denken, verletzen wir sie. Wir denken schlecht von anderen, wir treiben mit ihnen ein böses Spiel. Das ist nicht richtig. Gedanken sind nämlich sehr mächtig. Wenn ihr schlecht von anderen denkt, kommt das bei ihnen an wie ein Funksignal. Auch wenn ihr keinem Menschen etwas davon sagt – wenn ihr an sie denkt, erreicht sie die Ausstrahlung.

Üble Gedanken oder Taten stärken die Kräfte des Bösen. Wer den Wunsch hat, Gott anzugehören, sollte daher das heilige Feuer mit dem Brennstoff reiner Gedanken, wohlmeinender Worte und edler Taten nähren. Das wird alles Negative ausbrennen.

Eine goldene Lebensregel

Habt ihr für jemanden schlechte Gedanken gehegt, dann hört damit auf und, wenn ein anderer euch wissentlich oder unwissentlich Schaden zugefügt hat, dann vergebt und vergesst. Das ist das einzige Heilmittel. Wenn ihr anderen ihre Verfehlungen nicht verzeihen könnt, kommt euer spiritueller Fortschritt zum Stillstand, denn Vergebung und Gerechtigkeit sind zweierlei. Vergesst die Gerechtigkeit und entwickelt dafür die Tugend der Vergebung. Haltet euer Herz frei. Denkt nicht schlecht von anderen, selbst wenn sie euch mit Absicht geschadet haben.

Jedes Mal, wenn ihr das Gefühl habt, dass euch lieblose Gedanken für einen anderen überfallen, nehmt Zuflucht zur Wiederholung der Namen, die euch bei der Initiation geben wurden, (oder einer sonstigen Gebetsformel) und denkt an Gott. Das wird euer Gemüt klären. Entwickelt dieselbe Haltung wie Christus. Als Erstes kommt es also darauf an, von anderen nichts Schlechtes zu denken, zu sprechen oder anzuhören. Wenn ihr die üblen Gedanken über andere aus eurem Herzen verbannt, begegnen euch nur noch freundliche Menschen.

Wir sollten lernen zu vergeben und zu vergessen. Das ist eine goldene Lebensregel, um Frieden und Harmonie zu erlangen. Frieden und Harmonie tragen wesentlich zu einer ruhigen und beschaulichen Stimmungslage bei, die uns ihrerseits mit erfolgreichen Meditationen segnen wird. Wer Vergebung übt, ist zweifach gesegnet. Rache zu nehmen ist feige, anderen ihre Fehltritte zu vergeben aber ist ein edler Tugendakt.

Tägliche Selbstprüfung

Aufrichtige Gottsucher sollten täglich, ehe sie zur Ruhe gehen, Inventur machen und ihre Handlungen Revue passieren lassen, am besten schriftlich in einem Tagebuch, um herauszufinden, ob sie im Verlauf ihres Arbeitstages bei anderen Anstoß erregt oder irgendjemandem Schaden zugefügt haben. Falls ja, sollten sie dies bereuen und Gott um Gnade bitten. Ähnlich verhält es sich, wenn ihnen selbst von anderen irgendein Schaden zugefügt wurde – dies sollte aufrichtig vor Gott vergeben werden.

Dafür gibt es ein gutes Beispiel in der Bibel. Dort sagt Christus, ein jeder solle, noch ehe er sich zum Gebet erhebt, die Verfehlungen und Unzulänglichkeiten vergeben, mit denen ihm sein Bruder Unrecht angetan hat, auf dass der Vater im Himmel auch ihm seine Fehler vergebe.

Eine solche Bereitschaft zur Vergebung muss selbstverständlich erst durch tägliche Übung eingeschliffen werden. Bevor wir diese irdische Ebene für die Meditation verlassen, müssen wir allen vergeben, die uns Unrecht getan haben. Das wirkt sich günstig für den Fortschritt unserer Seele auf den inneren Ebenen aus.

Wenn jemand einen Fehler macht, dann vergebt ihm. Aber die Menschen wollen lieber Vergeltung als Vergebung. Bedenkt aber eines: Vergeltung führt nie zur Läuterung des Herzens. Nach außen hin mag jemand mit Nachdruck erklären, er habe Vergebung geübt; in seinem Herzen aber möchte er am liebsten auf den Übeltäter losgehen und ihn restlos vernichten. Wie könnt ihr ernsthaft behaupten, ihr hättet Vergebung geübt, wenn ihr keinen Sinn für Mitgefühl habt?

Liebe statt Kritik

Die Fähigkeit zu vergeben und zu vergessen ist etwas, das wir in Gedanken, Worten und Taten einüben müssen, damit sie ein fester Bestandteil unseres gewöhnlichen Alltagslebens wird. Wer liebt, kennt weder Kritik noch Zwang, er prahlt weder mit den eigenen Verdiensten noch denkt er über anderer Leute Fehler nach. Stattdessen arbeitet er auf konstruktive Weise darauf hin, Menschen im Geiste der Liebe und Harmonie zusammenzubringen. Liebe macht alles schön.

Wir müssen lernen, nach innen zu blicken statt nach außen. Es ist viel leichter, den Splitter im Auge des anderen zu sehen, als den Balken im eigenen. Ehe wir andere bessern können, müssen wir uns selbst weiterbringen, doch leider sind wir immer nur darauf aus, andere zu korrigieren. Wir sollten uns selbst erforschen und auf diese Weise systematisch alle Unvollkommenheiten in uns selbst ausmerzen. So entsteht überall um uns her Frieden. Liebe macht alles schön, und wenn wir lernen, alle zu lieben, können auch unsere Mängel restlos fortgewaschen werden. Dazu gehört vor allem, dass wir liebevoll und freundlich mit anderen sprechen. Freundliche, demutsvolle Worte kosten nichts. Mit dieser Lebenseinstellung bleiben euch schätzungsweise 90 Prozent eurer Probleme erspart.

Zorn – ein Teufelskreis

Eine Feuerstelle heizt zuerst sich selber auf und gibt dann ihre Hitze an die Umgebung ab. So ist es auch bei einem hitzigen oder zornigen Gemüt. Ein eingebildetes oder vermeintliches Unrecht sitzt wie ein Stachel im Gemüt und lässt es nicht zur Ruhe kommen. Wer diesem Druck nicht standhalten kann, bricht in glühende Hasstiraden oder einen heißen Schwall von Schimpfworten aus. Er verliert sein seelisches Gleichgewicht und dünstet wie ein Geschwür üble Gerüche aus, die schließlich sein ganzes Umfeld vergiften.

Die meisten Verletzungen und Ungerechtigkeiten ergeben sich aus dem Ablauf unserer eigenen Gedanken. Solche aufgebrachten Gedanken bringen unzählige weitere hervor, wobei sie sich exponentiell vermehren. Aus diesem Teufelskreis kommen wir nur heraus, indem wir unsere Lebenseinstellung ändern. Wozu unseren natürlichen Gleichmut für lächerliche Kleinigkeiten opfern, für kurzlebige Seifenblasen und nichts als heiße Luft, für Dinge ohne jede Bedeutung? Anstatt über solchen vermeintlichen und eingebildeten Ungerechtigkeiten zu brüten, wäre es weit besser, den Blick auf die höheren Aspekte des Lebens zu richten: auf die immanente (der Schöpfung innewohnende) und transzendente (über ihr waltende) Gottheit, denn diese Welt ist wirklich und wahrhaftig Schöpfung und Wohnstätte Gottes zugleich.

Mit der Zeit und mit der Übung werdet ihr mehr Kontrolle über eure Gefühle und Gemütsbewegungen wie Zorn, Eitelkeit, Gier und Lust haben und stattdessen Tugenden wie Demut, Genügsamkeit, Reinheit und Liebe entwickeln. Ihr werdet die Gewohnheit, euch als Richter über andere aufzuspielen, ablegen und anfangen, euch auf ihre Schwächen und Unzulänglichkeiten einzustellen, indem ihr sie durch konstruktive Hilfe unterstützt oder über ihre Fehler hinwegseht. Dieser Anpassungsvorgang wird euch und allen anderen Menschen in eurer Umgebung viel Glück und Sonnen- WE schein bereiten.

Verschiedenheit bedenken

Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass wir normalerweise weder Sorgen noch Ärger empfinden, wenn alles nach unseren Wünschen geht. Aber kaum bilden wir uns ein, unsere Interessen würden durchkreuzt oder unsere Gefühle verletzt, schon setzt eine Kettenreaktion ein, an deren Ende Gewalt in Gedanken, Worten and Taten steht, je nachdem, wie wir körperlich, mental oder moralisch veranlagt sind.

Wenn ihr ruhig und nüchtern darüber nachdenkt, werdet ihr feststellen, dass die wenigsten von uns bereits vollkommen sind. Innerhalb dieser unermesslichen Schöpfung wurde jeder Einzelne mit einer individuellen Wahrnehmung ausgestattet. Das individuelle Erbgut und Milieu zusammen mit dem jeweils erworbenen Wissen machen uns zu dem, was wir sind. Wir können niemandem vorwerfen, dass er anders denkt, nämlich auf die ihm entsprechende Weise. Alle Menschen sind verschieden veranlagt und haben ihre eigene Denkungsart. Sie können gar nicht anders, als sich unterscheiden, und tatsächlich heben sie sich in aller Schärfe voneinander ab. Das ist nicht zu ändern. Andererseits ist gerade dies das Kennzeichen bewussten Lebens.

Das ist aber noch lange kein Grund, unbedingt mit anderen die Klingen zu kreuzen. Selbst wenn sie in ihrer Unwissenheit manchmal schlecht von den spirituellen Lehren sprechen und beleidigende Worte gebrauchen, können sie nichts dafür. Den aufrichtigen Wahrheitssucher sollte das nicht weiter stören. Wir müssen uns höflich, freundlich, ja demutvoll verhalten. Es nützt nichts, sich herumzustreiten. Falls es zu Missverständnissen kommt, können wir sie in aller Freundschaft aus dem Wege räumen, anstatt eine feindselige Haltung einzunehmen.

Das rechte Verständnis

Unsere Bestimmung als Menschen ist es, Gott zu verwirklichen – jenen Gott, der in allen Wesen wohnt, den wir als den Einen verehren, auch wenn er mit vielen verschiedenen Namen angesprochen wird. Er ist die große lenkende Kraft, die alle Seelen im Körper erhält und hält. Wenn er sich zurückzieht, müssen auch wir von unserem Körper Abschied nehmen. Wenn jemand diese Tatsachen wirklich begreift, wo bleibt dann überhaupt noch Raum für Hassgefühle? Wen gäbe es da noch zu hassen?

Wer das rechte Verständnis hat, denkt und handelt automatisch richtig. Gott wohnt in allen – wenn ihr wisst, dass jemand Probleme hat oder in Not ist, dann geht hin und helft ihm. Wenn jemand Hunger oder Durst leidet, teilt mit ihm, was immer ihr habt. Macht euch zu Dienern an Gottes Kindern – um Seinetwillen. Das bedeutet nicht, dass ihr zu Sklaven werdet. Im Gegenteil: ihr tut euch damit einen Gefallen. Ein Sklave wird nur, wer Gott vergisst und sich an die irdische Welt mit ihren vielfältigen Bereichen bindet.

Sant Kirpal Singh

Sant Kirpal Singh (1894-1974) wirkte seit 1948 als spiritueller Meister. Auf seinen Vortragsreisen und als langjähriger Präsident der Weltgemeinschaft der Religionen“ erwarb er sich in Ost und West große Achtung und Sympathie.

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Foto(s): © gettyimages

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